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In Kürze

BIM im Bahnbau: Daten, Standards und Qualifizierung sind die größten Herausforderungen

Joaquín Díaz
Gastgeber des BIM-Kongress: Prof. Joaquín Díaz (Screenshot: Bahn Fachverlag)

Die Zeichen bei der Bahn stehen auf Bau: Verschiedene Gesetzespakete und Programme, von der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung über das Klimapaket bis zur Digitalen Schiene, liefern den finanziellen und rechtlichen Rahmen für den Ausbau und die Modernisierung der Schieneninfrastruktur. Digitales Planen und Bauen spielt dabei eine zunehmende Rolle – der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) kann dazu beitragen, Prozesse zu beschleunigen und die Qualität zu erhöhen.

Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) bot zum nunmehr achten Mal in Folge mit dem BIM-Kongress in Gießen ein Forum für den Austausch von Praktikern und Experten von Schiene, Straße und Bauwirtschaft – in diesem Jahr erneut im Livestream.

Einen Ausblick auf die wesentlichen Herausforderungen aus Sicht der Deutschen Bahn gab Jens Bergmann, Vorstand Infrastrukturplanung bei DB Netz, in seiner Keynote. Die Qualität und Verfügbarkeit von Daten, die noch größtenteils analogen Abläufe auf den Baustellen und die Gewinnung von qualifiziertem Personal sind laut Bergmann einige der drängendsten Handlungsfelder. Um den Mehrwert von BIM zu heben, müssten Insellösungen verbunden und durchgängige Prozesse zwischen allen Beteiligten etabliert werden.

In den Genehmigungsverfahren bei Bauprojekten gehen einige Vorteile digitaler Abläufe wieder verloren. Über ein Vorhaben von Deutscher Bahn und Eisenbahn-Bundesamt (EBA) zum digitalen Datenaustausch berichtete Candy Friauf, Senior BIM-Referent der DB. Beide Partner arbeiten derzeit an einer gemeinsamen Arbeitsumgebung (CDE), die für Infrastrukturprojekte aller Verkehrsträger (Schiene, Wasser, Straße) einsetzbar ist. Die Softwarelösung befindet sich in der Pilotierung und soll 2023 verfügbar sein.

Prozesse prüfen, dann digitalisieren

Der Bahnhofsbetreiber der DB führt aktuell mehr als 500 Projekte mit der BIM-Methodik aus. Eine der größten Baustellen ist dabei der Mensch, machte Katja Maser in ihrem Vortrag deutlich, die bei DB Station&Service für Digitalisierung und Standardisierung verantwortlich ist. Das betreffe sowohl die Anwendung als auch das Verständnis über Sinn und Zweck von BIM. Dabei handele es sich um ein Projektmanagement, das neue Prozesse erfordere, die bestehenden Prozesse müssten also geprüft und verändert werden, bevor sie digitalisiert werden, so Maser. Die wichtigste Botschaft an die Anwender*innen sei, das BIM zwar Mehraufwand in der Einarbeitungsphase, aber vor allem einen Mehrwert bietet, wenn sich der Ansatz einmal etabliert hat und beherrscht wird. Um die Einführung zu unterstützen, schult und zertifiziert DB Station Mitarbeitende zu BIM-Berater*innen.

Einblicke in konkrete BIM-Anwendungsfälle bei der Bahn gaben Referent*innen von DB Netz AG und der DB Bahnbau-Gruppe. Dazu zählen etwa der Ausbau der zweiten Stammstrecke der S-Bahn München und die Errichtung einer Lärmschutzwand an der Ortsdurchfahrt Deutzen in Sachsen. Die bahninterne Ingenieurberatung DB Engineering & Consulting stellte eine Lösung für die die durchgängige digitale Planung von LST-Anlagen vor, die zur Verschlankung von Prozessen und einer höheren Automatisierung beitragen soll.

Digitale Kompetenzen stärken

Auch die Schweizer Bundesbahnen arbeiten intensiv daran, das Potenzial von BIM zu erschließen. Das Ziel ist ein lebenszyklusbasiertes Datenmanagement für alle Assets und Anlagen der Bahninfrastruktur bis 2025, erläuterte Adrian Wildenauer, Senior-Projektleiter bei der SBB, in seinem Vortrag. Dafür müssten Schnittstellen für den offenen Austausch standardisierter Daten auch über Ländergrenzen hinweg geschaffen und Bestandsprozesse überprüft und gegebenenfalls erneuert werden. Wildenhauer hob außerdem die Bedeutung der Qualifizierung hervor: Digitale Kompetenzen sollten nicht nur post-gradual vermittelt, sondern bereits in die Ausbildung von Fachkräften integriert werden.

Diesem Anspruch konnte sich Prof. Joaquín Díaz, Wissenschaftlicher Leiter des gastgebenden 5D Instituts und Professor für Bauinformatik an der THM, anschließen. In seinen Lehrveranstaltungen werden neben konventionellen Methoden die Verfahren der 3D bis 5D-Modellierung bereits im Grundstudium vermittelt. Dem bei der kollaborativen BIM-Anwendung erforderlichen gemeinsamen Prozessverständnis trägt der Professor mit dem 5K-Modell Rechnung, das ebenfalls Teil der Ausbildung von Bauingenieur*innen und Architekt*innen an der THM ist.

Der kommende BIM-Kongress ist für den 14.–15. September 2022 geplant.

Mehr unter:
www.bim-kongress.de

(28.10.2021)