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Staffelstabübergabe zwischen Professoren

Eine neue alte Professur an der FH Erfurt

Foto: Jens Hauspurg
Foto: Jens Hauspurg

An der Fachhochschule Erfurt stand ein Generationenwechsel durch die Pensionierung des bisherigen Lehrstuhlinhabers für Eisenbahnwesen an. Im Fokus stand die Veränderung des Zuschnitts der Professur, um im Rahmen der Reakkreditierung der Bachelorstudiengänge im Eisenbahnwesen auch das Lehrangebot bahnbetrieblich vertiefen zu können.

Die Studiengänge im Eisenbahnwesen haben sich am Standort Erfurt in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr dynamisch gestaltet. Mit über 600 Absolvent*innen gehörte Erfurt heute zu den größten Studienorten im Eisenbahnwesen in Deutschland. Mit dem Wachstum ergaben sich auch Entwicklungspotenziale und Veränderungen: Der Wandel der Professur für Verkehrspolitik und Raumplanung von Professor Dr. Matthias Gather zur Professur für Eisenbahnwesen, insbesondere Betriebsführung und Automatisierung von Professor Dr.-Ing. Johannes Friedrich soll hier als exemplarisches Beispiel dargestellt werden.

Entstehung und Verstetigung der Fachrichtung

Ausgangspunkt hierfür war die 1995 an der Fachhochschule Erfurt gegründete Fachrichtung Verkehrs- und Transportwesen, mit der an der damals noch neuen Fachhochschule Erfurt die in Thüringen bereits verankerte Fachschulausbildung im Verkehrsbereich in veränderter Weise fortgeführt und weiterentwickelt werden konnte.

Durch den Erfolg des Studiums und die Anfang der 2000er Jahre erfolgte zusätzliche Spezialisierung mit dem zunächst als Schwerpunkt und später als eigener Studiengang ausgestalteten Eisenbahnwesen war auch ein erweiterter Lehrbedarf gegeben. Grundlage der neuen Spezialisierung war zunächst das bereits bestehende Lehrteam um die Professuren für Eisenbahnwesen (Professor Dr.-Ing. Thomas Berndt, heute mit der Nachfolge durch Professor Dr.-Ing. Michael Lehmann) und Schienenverkehr (Professorin Dr.-Ing. Christine Große). Von entscheidender Bedeutung auch als Signal aus der Branche für die Weiterentwicklung war ebenso, dass durch die Deutsche Bahn eine Stiftungsprofessur für Leit- und Sicherungstechnik (Professor Dr.-Ing. Raimo Michaelsen) im Jahr 2009 ermöglicht wurde.

Aus einer ursprünglichen Vertiefung des Verkehrsstudiums und dem späteren Studiengang Eisenbahnwesen mit drei Studiervarianten sind mit der neuerlichen turnusgemäßen Reakkreditierung drei Studiengänge im Eisenbahnwesen erwachsen:

  • dual mit gleichzeitiger Ausbildung zum Zugverkehrssteuerer,
  • dual ohne gleichzeitige Ausbildung,
  • grundständiges (nicht-duales) Studium.

Insbesondere die dualen Studiengänge sind sehr stark nachgefragt. Die über die Jahre stetig gewachsene Zahl an Studierenden aller Studiengänge bzw. Studiervarianten zeigt, dass die Nachfrage der Branche vorhanden ist. Eine Anpassung der Lehrkapazitäten erfolgte jedoch seit 2009 nicht mehr, sodass mehrere Faktoren zusammentrafen, die eine Fortentwicklung und Veränderung der Systemlandschaft der Fachrichtung Verkehrs- und Transportwesen an der Fachhochschule Erfurt begünstigten.

Weiterentwicklung des Curriculums

Das Lehrangebot im Eisenbahnwesen wurde im Zuge der Reakkreditierung aktualisiert und zielgruppenfokussiert ergänzt. So wurde unter anderem der Neuaufbau einer Vertiefungsrichtung mit einem Fokus für Zulieferbetreibe und werdende Projektingenieure beschlossen. Die Studiengänge teilen sich die betriebliche Kernkompetenz mit je einer vertiefenden Prägung, wie auch in der Abbildung 1 zu sehen ist.

Die Vertiefungsrichtungen sorgen im Vertiefungsstudium (früher „Hauptstudium“) für eine zielgruppengerechte Ausbildung bei gleichzeitiger Ressourceneffizienz und stringenter Stundenplanung mit Überschneidungsfreiheit, sodass auch bei Wahl multipler Optionen die Studierbarkeit gewährleistet ist. Viele Auswahlmöglichkeiten bedeuten allerdings zur Gewährleistung sehr guter Studienbedingungen für die Studierenden auch einen entsprechenden Lehraufwand, der mit einem entsprechenden Personalschlüssel darzustellen ist.

Vertiefungsrichtungen des Bachelor-Studiengangs „Wirtschaftsingenieur*in Eisenbahnwesen“ an der Fachhochschule Erfurt
Vertiefungsrichtungen des Bachelor-Studiengangs „Wirtschaftsingenieur*in Eisenbahnwesen“ an der Fachhochschule Erfurt (Quelle: Fachhochschule Erfurt)

Bedeutung der Professur für das Studienangebot

Um das inhaltlich erweiterte Curriculum abbilden zu können, galt es folglich, verschiedene Optionen zur Erweiterung der Lehrkapazität im Bereich des Eisenbahnwesens abzuwägen. Zur Gewährleistung einer aufwandsneutralen Ausgestaltung der Lehre stand im Fokus, eine bestehende Professur umzuwidmen und mit einem stärkeren eisenbahnspezifischen Fokus zu versehen. Hierbei geriet die Professur für Verkehrspolitik und Raumplanung in den Fokus, da sie zeitnah nach der avisierten Besetzung der „neuen“ Professur freiwurde.

Im Bereich der Raumplanung konnte bereits zuvor in der benachbarten Studienrichtung „Stadt- und Raumplanung“ eine adäquate Nachfolge berufen werden. Für die auch im Eisenbahnwesen gelehrte Verkehrspolitik bedeutet diese Fokussierung dagegen eine Veränderung der Lehrkapazitäten, denen auch im Bereich des Studienangebots Folge zu leisten war, sodass im Rahmen der Reakkreditierung das Curriculum ein stärkerer Fokus auf den Bereich Eisenbahnwesen gelegt wurde und der Bereich Verkehrspolitik durch andere Optionen zu flankieren war.

Vor diesem Hintergrund entschied sich der Stelleninhaber, Professor Dr. Matthias Gather, auch als damaliger Dekan der Fakultät für die Lösung der Umwidmung der Professur einzutreten. Gleichzeitig mit dem Umwidmungs- und Besetzungsbeschluss konnte eine vorzeitige Stellenbesetzung vereinbart werden, sodass für eine Übergangszeit von 18 Monaten sowohl der bisherige Stelleninhaber als auch der neu zu gewinnende Professor der Fachhochschule Erfurt zur Verfügung stehen würden.

Mit dieser strategischen Entscheidung wurde dann die Professur für Eisenbahnwesen, insbesondere Betriebsführung und Automatisierung, im Februar 2022 ausgeschrieben und zum 1. August 2023 durch Professor Dr.-Ing. Johannes Friedrich besetzt. Bis zum 31. März 2025 war Professor Gather überlappend als Professor an der Fachhochschule Erfurt tätig, sodass eine Übergabe des tradierten Wissens und der Veranstaltungen in Ruhe und mit guter Qualität erfolgen konnte.

Die Professur für Eisenbahnwesen, insbesondere Betriebsführung und Automatisierung, stärkt die bahnbetrieblichen Kernkompetenzen im Eisenbahnwesen an der Fachhochschule Erfurt. Zu den durch Professor Friedrich gelehrten Modulen zählen „Grundlagen Eisenbahnwesen“ und „Betriebsführung im Eisenbahnwesen“ sowie Module zur Automatisierung und Digitalisierung des Betriebsablaufs. Auch die Lehre im Masterstudium Wirtschaftsingenieur:in Verkehrswesen ist in der Eisenbahnvertiefung Teil dieser Professur.

Und zum Schluss: Alles auf Anfang

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ – das wusste schon Hermann Hesse. Übertragen auf Matthias Gather bedeutet es für ihn, nach seiner Professur als „Seniorprofessor“ weiterhin das Wirken an der Fachhochschule zu begleiten. Ein Schwerpunkt ist hier, die Möglichkeit einer Kooperation mit dem DB-Campus, der ebenfalls in Erfurt entsteht, auszuloten und sich so auch weiterhin in die perspektivische Weiterentwicklung der Studiengänge im Eisenbahnwesen einzubringen.

So wurde aus der alten Professur eine neue – und gleichzeitig konnte eine konsistente Weiterentwicklung im Spannungsfeld begrenzter Ressourcen vorgenommen werden. Mit dieser Lösung wurde aus der Staffelstabübergabe ein Gewinn für alle Beteiligten und für die Fachhochschule Erfurt und ihre Studierenden wurde eine zukunftsweisende Lösung gefunden. Dass Professor Gather der Fachhochschule außerdem länger erhalten bleiben kann, ist gewissermaßen das Sahnehäubchen an dieser Lösung.

Quelle
Michaelsen, Raimo; Friedrich, Johannes; Lehmann, Michael; Kipp, Susanne; Schmidt, Steffi: „Lehre für die Eisenbahnbranche an der Fachhochschule Erfurt“, in: Eisenbahningenieur 01/2025, S. 65–69.


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