
Unter dem Motto „Zukunftssicher? – Zukunft sichern!“ fand der 12. VDV-Personalkongress im September in Dresden statt. Rund 200 Bildungs- und Personalexpert*innen diskutierten an zweieinhalb Kongresstagen darüber, wie die Branche auch in Zeiten finanzieller Engpässe Nachwuchskräfte für sich gewinnen und dauerhaft halten kann.
„Es geht darum, Menschen für unsere Branche zu begeistern – und begeistert zu halten“, sagte Alexander Möller bei der Eröffnung des Kongresses, der vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der VDV-Akademie und den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB) veranstaltet wurde. Recruiting und Mitarbeitendenbindung, der Fachkräftemangel und die Bedürfnisse sehr unterschiedlicher Zielgruppen seien die Leitthemen des Kongresses, die (Personal-)Arbeit für den Öffentlichen Verkehr das gemeinsame Ziel, sagte der Geschäftsführer der VDV-Akademie.
DVB-Vorstand Lars Seiffert hob die Bedeutung des Öffentlichen Verkehrs als sinnstiftende Branche hervor. Nach langen Einstellungsstopps stellten die DVB wieder junge Leute ein und sorgten für sichere Jobs und Identifikation mit der Region. Bei einer solchen Aufgabe sollten sich die Verkehrsbetriebe generell nicht einschüchtern lassen, auch nicht von Sparzwängen: „Diese Aufgabe können wir nur mit Personal bewältigen“, unterstrich Seiffert, dessen Unternehmen derzeit mit der Stadt Dresden darum ringt, den Spagat zwischen Mobilitäts-Daseinsvorsorge und Wirtschaftlichkeit zu schaffen.
Nachteil Schichtdienste
Neben Sparzwängen verkompliziert der Fachkräfte-mangel die Situation. Gerade Fahrpersonal ist schwer zu finden, unter anderem deshalb, weil die dabei notwendige Bereitschaft zum Schichtdienst oft nicht vorhanden ist: In der großen Deutschlandumfrage Fahrpersonal Bus & Bahn des VDV gaben 30 Prozent der Befragten an, dass die aktuellen Dienstpläne mit ihrem Privatleben nur schwer vereinbar seien. Es bleibt aber dabei: Selbst bei einem hoch innovativen Dienstplan bleibt ein Schichtdienst nun einmal ein Schichtdienst.
Dies alles sind Gründe, warum die Unternehmen des Öffentlichen Verkehrs aktiver um Personal werben und auch Zielgruppen ansprechen müssen, für die vor einigen Jahren eine berufliche Laufbahn in der Branche noch nicht offen stand – so zum Beispiel Menschen ohne Berufsabschluss oder solche, deren Deutschkenntnisse sich erst verbessern müssen, bevor sie für die Ausübung eines Berufs in der Mobilitätsbranche ausreichen.

Bildungsgerechtigkeit verfehlt
Schaut man auf das Thema Bildungsgerechtigkeit, dann muss man konstatieren, dass Deutschland dieses verfassungsrechtlich verankerte Ziel derzeit verfehlt: 25 Prozent der Schulabsolvent*innen sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen „nicht bereit“ für das Berufsleben, und statistisch gesehen ist es im internationalen Vergleich in Deutschland besonders schwer, als Kind aus Familien, deren erwachsene Mitglieder arbeitslos sind und/oder einen Migrationshintergrund haben, beruflich ein- oder gar aufzusteigen.
Dr. Dagmar Wolf von der Robert Bosch Stiftung präsentierte den Kongress-Teilnehmenden diese wenig erbaulichen Fakten und verwies darauf, dass die Bildungsungleichheit in Deutschland weit vor Beginn der ersten Schulklasse beginne und die Kitas inzwischen nicht mehr in der Lage seien, die sprachlichen Differenzen auszugleichen, die die Kinder aus ihren Familien mitbringen.
Ungleichheit beginne mit der Sprache, und es gebe keine biologischen Gründe dafür, sondern handele sich vielmehr um eine „soziale Spaltung“, sagte Wolf. Für die Unternehmen der Mobilitätsbranche bedeute dies, dass sie selbst aktiv werden und ihre Nachwuchskräfte sprachlich, fachlich und sozial-kulturell unterstützen müssten.
Vor diesem Hintergrund diskutierten die Teilnehmenden während des Kongresses unter anderem über Recruiting-Trends, Sprachkurse für Mitarbeitende, die Charakteristika der Generation Z und das Miteinander von Jung und Alt in den Unternehmen. Wie die Unternehmen Mitarbeitende in der Branche halten können und was die VDV-Arbeitsgeberinitiative dazu beitragen kann, den Fachkräftemangel zu verringern, waren ebenfalls Themen, die auf dem Kongress aufgegriffen wurden.
Außerdem informierten Matthias Rohrmann (AGV Move) über die Personalarbeit in der EU, Brendon Eggeling (DB Rail Academy) gab Einblicke in Optimierungsmöglichkeiten in Trainingsorganisationen, und Stefanie Menke (VDV-Akademie) zeigte Wege auf, wie die Unternehmen ihre Fahrpersonale unterstützen und zu deren Resilienz beitragen können.
Tipps von der KI-Nerdin
Susanne Renate Schneider zeigte in ihrem Vortrag das Potenzial von Künstlicher Intelligenz (KI) auf. So hatte die Arbeitspsychologin und selbst ernannte KI-Nerdin einige Tipps auf Lager, wie genau man eine KI ordentlich „promptet“, also wie man einer KI Fragen stellen sollte, um die Chance auf eine fruchtbare Antwort zu erhöhen.
Ratsam sei, zunächst klein anzufangen, und die KI zum Beispiel Protokolle oder Berichte (mit)schreiben zu lassen, riet Schneider. Vor allem aber versuchte sie, den Anwesenden Ängste zu nehmen und verwies darauf, dass die Unternehmen klare Regeln für die Nutzung von KI aufstellen, die eigenen Mitarbeitenden einbeziehen und entsprechend schulen sowie sich um das Thema Datenschutz kümmern sollten.
Appell an die Branche
Jünger, diverser und weiblicher sei der Personalkongress inzwischen geworden, stellte Harald Kraus schließlich fest. Das spiegele die Branche wider, die ihren Herausforderungen nur mit einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten erfolgreich begegnen könne, appellierte der Vorsitzende des VDV-Personalausschusses und Präsident der VDV-Akademie an Beschäftigte und Führungskräfte gleichermaßen. Zumal der Fachkräftemangel noch lange nicht vorbei sei: „Auch wenn es derzeit etwas entspannter zu sein scheint – die Herausforderungen werden auch in Zukunft auf uns zukommen“, sagte Kraus.

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