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Hochschul-, Aus- und Weiterbildung

Gezielte Qualifikation von Fachkräften für die Zukunft der Bahn

Mitarbeitende von DB Cargo beim Einbau einer Kupplung in einen Güterwagen
Foto: DB AG/Patrick Kuschfeld

Der Bedarf an qualifizierten Fachkräften ist groß – sehr gut ausgebildete Mitarbeitende sind heute und in Zukunft mehr denn je unverzichtbar im System Bahn. Die Verkehrswende, technologische Trends und demographische Entwicklungen in Deutschland stellen die Weichen für die Anforderungen an Beschäftigte und für den Arbeitsmarkt des Schienenverkehrssektors. Die gezielte Förderung der Aus- und Weiterbildung ist der Schlüssel, um diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Wie gut sind wir dafür aufgestellt? Welche Maßnahmen sind notwendig, damit wir zukünftig mehr Fachkräfte für das System Bahn gewinnen und bedarfsgerecht qualifizieren können? Das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF) analysiert und forscht unter anderem zu Fragen der Fachkräftesicherung, um auf dieser Basis politische Entscheidungsträger zu beraten.

Zur Erreichung der verkehrspolitischen Ziele der Bundesregierung sind qualifizierte Fachkräfte ein entscheidender Faktor. Dabei steht der Schienenverkehrssektor nicht nur vor der Herausforderung, mehr Fachkräfte zu gewinnen, sondern diese auch kontinuierlich und bedarfsgerecht weiterzubilden. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) setzt sich gemeinsam mit Branchenverbänden im Zukunftsbündnis Schiene für die Fachkräftesicherung ein.

Erkenntnisse zur Beschäftigungswirkung,[1] zur Eisenbahningenieursausbildung an Hochschulen[2] und zur Weiterbildung im Schienenverkehrssektor[3] wurden durch das DZSF, der Ressortforschungseinrichtung des Bundes für den Schienenverkehr, vorgelegt. Diese dienen als Grundlage für den Einsatz gezielter Maßnahmen zur Förderung bedarfsgerechter Qualifikation.

Fachkräfte im System Bahn

Die Analyse der Beschäftigungswirkung zeigte, dass in Deutschland rund 400.000 Fachkräfte direkt im Schienenverkehr beschäftigt sind. Diese Zahl soll angesichts des geplanten Ausbaus der Schiene noch steigen. Jedoch gilt zu beachten, dass circa 20 Prozent der Beschäftigten im Bahnsektor das 55. Lebensjahr bereits überschritten haben, sodass in absehbarer Zukunft durch Renteneintritte viele Stellen frei werden.[1] Diese Faktoren verstärken die bereits heute bestehenden Probleme, Fachkräfte zu rekrutieren, und stellen die Branche vor Herausforderungen.

Eine Analyse aktueller Stellenanzeigen zeigt den Bedarf an Fachkräften in den Unternehmen (siehe Abbildung). Dabei fällt auf, dass insbesondere Fachkräfte mit abgeschlossenem Studium im Bahnsektor gesucht werden. Entsprechende Anzeigen machen mehr als 50 Prozent der Stellenausschreibungen aus.[3] Der Anteil gesuchter akademischer Fachkräfte im Bahnsektor am Gesamtfachkräftebedarf im Schienenverkehr kann durch Stellenanzeigen jedoch leicht überschätzt werden.[4] Aktuell sind rund ein Viertel der Stellen im System Bahn durch akademische Fachkräfte besetzt, das entspricht rund 97.000 Personen.[1, 2]

Balkendiagramm Berufsgruppen und Anzahl Stellenanzeigen
Analyse der Stellenanzeigen (August bis Oktober 2021) je nach Weiterbildungsbereich und nachgefragten Abschlüssen der Bewerbenden. Anmerkung: Quereinstieg bezieht sich auf den prozentualen Anteil expliziter Nennungen dieses Begriffs in den Stellenanzeigen (Quelle: [2], S. 31)

Akademische Ausbildung im System Bahn

Der Verband Deutscher Eisenbahn-Ingenieure (VDEI) prognostizierte aufgrund der demographischen Entwicklung und des geplanten Ausbaus des Schienenverkehrssektors einen jährlichen Bedarf von mindestens 3.000 neu einzustellenden Eisenbahningenieur*innen zwischen 2019 und 2030.[5] Es stellt sich die Frage, ob dieser Bedarf mit den bisherigen Ingenieursausbildungsmöglichkeiten überhaupt gedeckt werden kann.

Eine Bestandsaufnahme der Hochschulausbildung im Schienenverkehrssektor[2] zeigt, dass es derzeit 34 Eisenbahnprofessuren an insgesamt 15 Hochschulen in Deutschland gibt. Weniger als 5 Prozent der insgesamt 424 Hochschulen in Deutschland bieten damit eine akademische Ausbildung im System Bahn an. Rund 600 Studierende verlassen pro Jahr diese Hochschulen mit einem Bachelor- oder Masterabschluss mit Eisenbahnbezug. Der prognostizierte Bedarf von jährlich rund 3.000 akademischen Fachkräften lässt sich somit nicht decken.

Zum einen gilt es daher, mehr Studierende für Bahnstudiengänge zu gewinnen, unter anderem indem die Attraktivität und Sichtbarkeit der Berufsbilder im Schienenverkehr und der akademischen Ausbildungsmöglichkeiten im System Bahn gesteigert wird. An sogenannten Schwerpunkt- und Leuchtturmstandorten könnten zukünftig gebündelt Lehr- und Forschungsaktivitäten zielgerichtet koordiniert und repräsentiert werden.[2]

Zum anderen gilt es, akademische Quereinsteiger, also Fachkräfte ohne spezifische Bahnkenntnisse, für das System Bahn zu gewinnen, zum Beispiel aus der Informatik, den Naturwissenschaften, den Wirtschaftswissenschaften. Diese müssen durch gezielte Weiterbildung einerseits einen vertieften Einblick in das System Bahn gewinnen und andererseits bahnspezifische Kenntnisse ihres zukünftigen Arbeitsbereiches erlangen.

Weiterbildung im System Bahn

Um das Potenzial der Weiterbildungen für akademische und nichtakademische Fachkräfte im Schienenverkehr umfassend zu beleuchten, wurden Fortbildungen und Umschulungen im System Bahn auf Basis verschiedener methodischer Ansätze[6] analysiert.[3] Es wurden über 100 Weiterbildungsanbieter mit über 5.400 angebotenen Kursen im System Bahn in Deutschland identifiziert (Stand 2021).

Fortbildungen machen circa 75 Prozent der Kurse aus. Sie richten sich dabei an bestehende Fachkräfte und können Anpassungs- oder Aufstiegsziele verfolgen. Ein Viertel aller Kurse sind Umschulungen, die den Quereinstieg ermöglichen. Diese richten sich an neue Fachkräfte, die schon über eine Ausbildung verfügen und sich auf den Einstieg in den Schienenverkehrssektor vorbereiten möchten. Dominierend ist hierbei die Umschulung zum Triebfahrzeugführenden.[3]

Um die Weiterbildungsbedarfe der Bahnindustrie zu decken, haben sich drei gängige Geschäftsmodelle etabliert: interne Weiterbildungsanbieter, die als Teil eines größeren Unternehmens vorwiegend Kurse für eigene Beschäftigte bedarfsgerecht anbieten (zum Beispiel DB Training, Learning & Consulting, Spitzke Akademie); externe Weiterbildungsanbieter, die gleichzeitig in der Arbeitnehmerüberlassung tätig sind (zum Beispiel dispo Tf), und externe ungebundene Weiterbildungsanbieter, die am freien Markt Kurse anbieten (zum Beispiel VDEF).

Ungefähr die Hälfte der Kurse werden von externen Weiterbildungsanbietern durchgeführt und stellen mit einer Einschätzung von über 80 Prozent Zufriedenheit der Befragten aus der Bahnindustrie ein wichtiges Standbein der Weiterbildungsmöglichkeiten im System Bahn dar. Externe Weiterbildungsanbieter verfügen im Schnitt über umfangreichere Qualitätssicherungsmaßnahmen im Vergleich zu internen Anbietern. Fortschrittliche E-Learning-Formate wurden 2019 nur in geringem Umfang, aber bereits stärker von externen als von internen Weiterbildungsanbietern bedient. Durch die Corona-Pandemie ist die Digitalisierung der Bildungsangebote jedoch deutlich gestiegen.[3]

Neben der Digitalisierung der Kursinhalte sind gezielte Kooperationen unter den Weiterbildungsanbietern und mit den Unternehmen im System Bahn wichtige Elemente zur Stärkung des Schienenverkehrs und zur Fachkräftesicherung durch Weiterbildung. So können Ressourcen und Kapazitäten effizient genutzt und Angebote bedarfsgerecht gesteuert werden. Die Schaffung einer gemeinsamen Informationsplattform, die Flexibilisierung der Weiterbildung durch individualisierte und modularisierte Bildungsinhalte sowie die Entwicklung eines branchenspezifischen Qualitätsgütesiegels für Weiterbildungsanbieter sind Maßnahmen zur Gewinnung und Ausbildung zusätzlicher, qualifizierter Fachkräfte.[3]

Fazit

Das System Bahn benötigt dringend qualifizierte, akademische und nichtakademische Fachkräfte. Eine attraktive Ausbildung und bedarfsorientierte Weiterbildungen, die sowohl den technischen Entwicklungen Rechnung tragen, als auch den Quereinstieg in den Schienenverkehrssektor ermöglichen, sind dafür unabdingbar. Die Analysen zeigen, dass sich der Weiterbildungsmarkt dafür zum Teil bereits umfassend aufgestellt hat. Die Herausforderung für die Branche besteht darin, Angebote zur Fachkräftequalifizierung gezielt zu gestalten, damit das System Bahn für Fachkräfte attraktiv ist und bleibt.

Literatur und Anmerkungen
[1] Böttger, C., Maenning, W., Hartmann, E., Barsch, K., Waldmann, L., Specht, G. & Brockmann, L. (2021): Volkswirtschaftliche Bedeutung des deutschen Bahnsektors auf Grundlage der Beschäftigungswirkung, Berichte des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung, 14, doi: 10.48755/dzsf.210001.01.

[2] Hartmann, E., Specht, G., Riotte, T., Wipperfürth, M., & Meilhammer, E. (2022): Analyse der Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Schienenverkehrssektor, Berichte des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung, 19, doi: 10.48755/dzsf.220003.01.

[3] Büker, T., Nießen, N., Stoll, F., Schindler, C., & Jagodzinski, N. (2022): Analyse der Hochschulausbildung im Schienenverkehrssektor, Berichte des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung, 18, doi: 10.48755/dzsf.220002.01.

[4] Die ausgeschriebenen Stellen für Fachkräfte mit akademischen Hintergrund entsprechend in der Regel auch der Anzahl der zu besetzenden Stellen. Dies ist nicht zwingend der Fall bei Stellen für Fachkräfte mit abgeschlossener Ausbildung oder für Quereinsteiger. Beispielsweise kann nur eine Stellenanzeige für Triebfahrzeugführende existieren, jedoch könnten mehrere Fachkräfte hierfür eingestellt werden.

[5] Verband Deutscher Eisenbahn-Ingenieure e. V. (2019). Ingenieurbedarf im Bahnsektor bis 2030. Online unter: www.vdei.de/component/edocman/ingenieurbedarf-2030/ [08.04.2022, 12:40 h]

[6] Quantitative Befragungen und qualitative Interviews von Weiterbildungsanbietern und Unternehmen im Bahnsektor, Webrecherche der Weiterbildungsangebote, Analyse der Stellenanzeigen.


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