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3. International Railway Symposium Aachen

RWTH-Symposium nimmt Zukunft der Bahn in den Blick

IRSA Logo vor Hintergrund Dom Aachen
Grafik: Christian Mathis, mit Material von falco/pixabay und RWTH Aachen

Mehr Verkehr muss auf die Schiene, wenn die Klimaziele für den Transport- und Mobilitätssektor erreicht werden sollen. Digitalisierung, Automatisierung und Innovationen sollen es richten. Wie diese Schlagworte sich in konstruktiven und konkreten Maßnahmen widerspiegeln könnten, darüber diskutierten auf dem 3. International Railway Symposium Aachen etwa 160 Experten aus Wissenschaft, Industrie und Politik.

Zum dritten Mal lud das Research Center Railways (RCR) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen Ende November vergangenen Jahres zum Internationalen Railway Symposium Aachen (IRSA) ein. Aufgrund der Corona-Pandemie fand das IRSA erstmals als Hybridveranstaltung statt: So konnten an den insgesamt 3 Veranstaltungstagen unter der hygienischen Prämisse „2G Plus“ etwa 80 Personen vor Ort im SuperC-Gebäude der RWTH teilnehmen, während weitere 80 Personen per Video zugeschaltet waren.

Um mehr Verkehr auf der Schiene zu erreichen, das machte das IRSA-Organisationskomitee bereits in seiner Einladung deutlich, müsse bereits in den kommenden Jahren mehr Verkehr auf die bestehenden Schienenwege gebracht und stillgelegte ­Strecken wieder in Betrieb genommen werden. Die weitere Digitalisierung und Automatisierung von Fahrzeugsystemen sowie innovative Fahrzeug-, Antriebs- und Versorgungskonzepte für Fahrzeuge und Triebzugeinheiten seien dafür eine notwendige Voraussetzung.

Christian Schindler, Rik de Doncker, Nils Nießen auf der Bühne
Jetzt erst recht: Die RWTH-Professoren Schindler, De Doncker und Nießen (von links) und ihre Mitarbeiter veranstalteten trotz angespannter Pandemie-Lage das IRSA 2021 (Foto: Peter Winandy)

Programm und Spektrum

Mit 44 technischen und wissenschaftlichen Vorträgen in 12 Sessions an 2 Tagen, die die Referenten wahlweise in Deutsch oder Englisch vortrugen, sorgte das RCR als Veranstalter erneut für einen interdisziplinären und internationalen Austausch zu aktuellen Projekten und Herausforderungen des Schienenverkehrs in seinem gesamten Themenspektrum.

Dafür gliederte das IRSA-Organisationskomitee die Veranstaltung in folgende sieben Themenstränge:

  • Infrastrukturmanagement
  • Innovative Eisenbahnbetriebskonzepte
  • Sicherheit, Zuverlässigkeit und Lebensdauer
  • Neuartige Fahrzeuge und Komponenten
  • Assistiertes, automatisiertes und autonomes Fahren
  • Energie- und Ressourceneffizienz
  • Lärmminderung

Hinzu kamen am dritten Veranstaltungstag zwei Sessions in Kooperation mit dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI), die zwei derzeit viel diskutierte Themen noch einmal im Besonderen betonten: Alternative Antriebe und Kapazitätssteigerungen.

In den Keynotes, mit denen das IRSA 2021 startete, stellte darüber hinaus Carlo Borghini das sich unmittelbar an “Shift2Rail” anschließende nächste Eisenbahnforschungsprogramm der Europäischen Union vor, mit dessen Leitung er betraut ist und das den offiziellen Namen Europe’s Rail Joint Undertaking (EU-Rail) trägt. Mesela Nhlapo, Leiterin der African Rail Industry Association, zeigte Investitionsmöglichkeiten im Schienensektor ihres Heimatlandes Südafrika auf, und Ansgar Brockmeyer, Vizepräsident und Vertriebsleiter des IRSA 2021-Hauptsponsors Stadler, stellte die Lösungen seines Unternehmens zur Energieversorgung für elektrische Antriebe vor.

Tagungsraum mit Leinwand und Videobild
VDI-Präsident Volker Kefer forderte eine neue Vision und ebensolche Geschäftsmodelle für die Bahnbranche (Foto: Peter Winandy)

Qualität versus Investition?

Außerdem gab VDI-Präsident Volker Kefer eine Einschätzung ab, ob und wie eine signifikante Verlagerung von Verkehr auf die Schiene erreicht werden könnte. Dabei machte das langjährige Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG keinen Hehl daraus, dass er seine Zweifel daran habe, ob die Schiene die von der Politik so hoch gesteckten Klimaziele (Reduktion der CO2-Emissionen im Mobilitätssektor von 40 Prozent bis zum Jahr 2030 und von 100 Prozent bis 2050) auch erreiche.

Neben tiefgreifenden, ganz konkreten Maßnahmen wie etwa der infrastrukturellen Trennung von Personen- und Güterverkehr (sic) müssten die technischen Möglichkeiten ausgeschöpft sowie Forschung und Entwicklung stärker gefördert werden. Hinzu komme die notwendige Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen. Das alles sei zwar ohne Zweifel möglich, aber die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung sehe er in einer „ernst gemeinten“ Vision für die Bahnbranche inklusive einer Anpassung der bestehenden Geschäftsmodelle, sagte Kefer.

So lange die Qualität des Eisenbahnbetriebs nicht als höchster Wert für die Zukunft des Schienensektors angesetzt werde, ausdrücklich höher als der Faktor Geld, gebe es keine Anreize für die Marktteilnehmer, das System Bahn zu verbessern. Und solange sich dahingehend nichts ändere, werde die Schiene die ausgerufenen Ziele auch nicht erreichen, wurde Kefer deutlich, nannte aber auch den Hebel, der genau diesen Paradigmenwechsel bringen könnte: schlichtweg den Druck, unter dem die Politik beim Thema Klima steht.

Nils Nießen in der Liveübertragung auf einem Bildschirm
Das IRSA 2021 fand erstmals in Hybridform statt. Prof. Dr.-Ing. Nils Nießen verabschiedete die virtuellen Teilnehmer persönlich (Foto: Bahn Fachverlag GmbH)

Fazit

Bei allen Zweifeln wagte Prof. Rik W. De Doncker in seinem Fazit zum Abschluss des IRSA 2021 dennoch einen durchaus optimistischen Ausblick: Der Schienensektor sei zwar ein konservatives Geschäft, dessen Entwicklung manchmal langsamer vonstattengehe als viele sich das wünschten, sagte der Sprecher des IRSA-Organisationskomitees. Andererseits habe das Symposium gezeigt, dass viele Maßnahmen, die zur Verbesserung des Systems Schiene beitragen könnten, kurzfristig in die Praxis implementiert werden könnten – es also durchaus die sogenannten low hanging fruits gebe.

In diesem Sinne gab der gebürtige Belgier De Doncker seinen Gästen zum Abschied in englischer Sprache ein Zitat mit auf den Weg, das gemeinhin dem deutschen Dichterfürsten Goethe in den Mund gelegt wird: “With the stones they put on my pathway I build my castle.” Schöner kann man den internationalen und fachübergreifenden Ansatz des IRSA wohl kaum veranschaulichen – und auch nicht den steinigen Weg, der vor der Branche liegt. Es dürfte auf jeden Fall spannend sei, wie weit sie beim nächsten IRSA, das für November 2023 angesetzt ist, in der Rückschau gekommen sein wird.

Hinweis: Ein Rückblick mitsamt zusätzlichem Material zum IRSA 2021 ist in Kürze unter www.irsa.rwth-aachen.de zu finden.


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