
Die Berufe im System Bahn verändern sich schnell – und mit ihnen die Anforderungen, die an die Mitarbeitenden gestellt werden. Mit der zunehmenden Komplexität des Systems, seiner Automatisierung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) stellt sich die Frage, ob einige der derzeit nachgefragten Jobprofile überhaupt eine Zukunft vor sich haben. Viele junge Menschen fragen sich deshalb, ob die Eisenbahn ein attraktiver Arbeitgeber bleiben wird – die Antwort jedoch ist eindeutig.
Schaut man sich frühere Generationen an, so wurden häufig Berufe in Familien „vererbt“. Kinder sahen und wussten, was die Eltern machen, und sehr häufig wählten sie den gleichen Lebensweg. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten wurde es schwieriger. Die Berufe veränderten sich, Kinder und junge Menschen konnten weniger Einblick in die Tätigkeiten der Eltern nehmen als früher.
Inzwischen hat aber auch die Vielfalt der Berufe und Studiengänge zugenommen: Wo es früher ein Fach gab, sagen wir „Bauingenieurwesen“, ist heute die Vielzahl an Studiengängen mit Bau im Schwerpunkt groß, seien es beispielsweise IT und Bau, Wirtschaft und Bau oder Umwelt und Bau.
Dann kommt noch die Automatisierung hinzu: Gerade im Bahnbereich zeigen viele Forschungsprojekte, aber auch bereits umgesetzte neue Systeme und Techniken, in welche Richtung es gehen kann und wird. Arbeitsplätze werden sich verändern; es werde neue Anforderungen entstehen, neue Jobprofile.
Mit der Einführung von KI als Unterstützung in vielen Bereichen wird es nochmal komplizierter. Wo bei der Automatisierung noch absehbar ist, was wie ersetzt wird, ist es jetzt deutlich volatiler: Wann kommt die KI, in welchen Bereichen? Wie wird sie Arbeitsplätze verändern, was fällt weg, was entsteht neu?
Konzentriert man sich auf den Bahnsektor, so steht zu erwarten, dass sich sehr, sehr viele Bereiche verändern werden, manche stärker, manche weniger. Aber es ist auch klar: Das passiert nicht über Nacht. Wer heute als junger Mensch Triebfahrzeugführende*r (Tf) werden möchte, der kann das aus meiner Sicht ruhigen Gewissens tun: Ich glaube fest daran, dass wir auch in 30 und 40 Jahren noch Züge mit Tf haben werden, wenn auch nicht überall.
Tf werden weiter gebraucht
Bei den Tf ist die Entwicklung recht offensichtlich: Die Forschung fokussiert auf den fahrerlosen Zug als Option, zum Beispiel für den S-Bahn-Bereich. Es fallen also Arbeitsplätze weg. Andererseits entstehen neue, durchaus attraktive Berufe: Zur Überwachung und voraussichtlich auch in der Rückfallebene werden Menschen benötigt, die von zentralen Stellen aus den Bahnbetrieb beobachten und (fern-)steuern.
Diese Arbeitsplätze sind örtlich gebunden und verlässlicher als es heute für viele Tf der Fall ist. Das reduziert Arbeitswege und verbessert die Work-Life-Balance. Es besteht die Hoffnung, dass dadurch der Beruf wieder für mehr Menschen, und zum Teil auch Menschen aus ganz neuen Zielgruppen, attraktiv wird.
Mit digitalen Systemen arbeiten
Weniger offensichtlich sind die möglichen Veränderungen im Bereich der Planung und Trassierung von zum Beispiel neuen oder auszubauenden Strecken oder Bahnhöfen. Die Planung heute ist sehr menschenzentriert. Der Mensch erfasst, plant, prüft, gibt frei. Hier steht zu erwarten, dass im ersten Schritt viele Routinetätigkeiten automatisiert werden können – das ist heute schon vielfach der Fall.
Building Information Modelling (BIM) prüft, kombiniert die Planungen verschiedener Gewerke und kann im besten Fall kritische Punkte identifizieren. Der Mensch hat Zeit, sich auf das zu konzentrieren, was abseits der Routine ist, so beispielsweise das Erarbeiten von Sonderfällen oder das Nachvollziehen und Beheben von Fehlern und Inkonsistenzen.
KI, intelligent integriert, wird, davon gehe ich aus, hier noch einen Schritt weitergehen. Es können beispielsweise mehr Daten integriert werden. Ergebnisse können besser und schneller visualisiert werden. KI kann auch, davon ist auszugehen, das Prüfen in gewissen Rahmen abnehmen, auch wenn noch die wichtige Frage zu klären ist, wer letztendlich die Verantwortung trägt. Hier ist die Grauzone noch groß.
Für den Bereich der Planung denke ich: Wer nur gerne Routine umsetzt, für den wird es schwierig. Wer mit digitalen Systemen zusammenarbeiten möchte, Planung weiterbringen will, um effizienter bessere und menschgerechtere Ergebnisse zu erzielen, der ist dort gut aufgehoben.
Vorreiter Instandhaltung
Als dritten Bereich möchte ich die Instandhaltung adressieren. Dort wird heute schon, mehr als in vielen anderen Bereichen, so scheint mir, mit KI gearbeitet.
Aktuell erleben wir, wie Fahrzeuge unter verschiedenen Gesichtspunkten Daten erfassen. Diese Daten müssen nicht nur miteinander verknüpft werden. Es muss auch das Ziel sein, Fehler und Ungenauigkeiten am Fahrzeug und der Infrastruktur frühzeitig zu erkennen und Trends zu antizipieren, um das Bahnsystem mit weniger Aufwand zuverlässiger und sicherer zu machen. In Zukunft noch mehr als heute ist Instandhaltung die Kombination aus Hard- und Software, so kann man sagen, aus händischer Tätigkeit und der Nutzung modernster Systeme zur Unterstützung und ggf. Anleitung.
Was bedeutet das? Erst einmal bleibt vieles gleich. Veränderung ist ein Prozess. Und Wissen, das heute aufgebaut wird, ist immer eine gute Basis, um darauf aufzusetzen und sich und das System weiterzuentwickeln.
Lebenslanges Lernen klingt altmodisch, aber es wird für jeden Einzelnen wichtiger denn je. Und es ist die Aufgabe der Arbeitgeber, hier zu begleiten und vor allem auch den Raum und die Zeit zu geben, weiterzukommen.
Bleibt die Bahn ein attraktiver Arbeitsbereich für Menschen, die spannende und anspruchsvolle, die moderne Jobs suchen? Würde ich empfehlen, einen Studiengang mit Bezug zum spurgeführten Verkehr zu wählen?
Zu beiden Fragen ein dickes Ja!
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