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In Kürze

Bahnhöfe als Vitalitätszentren im ländlichen Raum

Anlaufstelle und Bürgertreffpunkt: Der Bahnhof Rottenbach
Anlaufstelle und Bürgertreffpunkt: Der Bahnhof Rottenbach (Foto: Allianz pro Schiene)

Wie können Bahnhöfe einen Beitrag zur Belebung von Klein- und Mittelzentren abseits der großen Städte leisten? Antworten auf diese Frage möchte ein neues Projekt der Allianz pro Schiene geben, das vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt gefördert wird. Das Startsignal gab eine Auftaktveranstaltung Anfang Dezember in Berlin.

Bei Fahrten in Regionalzügen lässt es sich gut beobachten: Der Bahnhof hat im ländlichen Raum stark an Bedeutung verloren, viele Gebäude sind in keinem guten Zustand. Mit dieser Bestandsaufnahme leitete Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, die Tagung ein. Doch mit der angestrebten Verkehrswende steht auch der Bahnhof vor einer Renaissance. Wie bei der Schieneninfrastruktur im Allgemeinen sei auch hier eine Abkehr von einer rein betriebswirtschaftlichen Sichtweise erforderlich, so Flege, denn die Bahnhöfe hätten mehr als nur eine verkehrliche Bedeutung.

Ablauf und Zeitplan des Projekts stellte Ulrike Hunscha vor, die als Referentin für Verkehrspolitik beim Projektträger arbeitet. Ziel ist es, 10 Bahnhöfe auszuwählen, die den Kriterien des Projektes entsprechen, und diese als Vorbilder bekannt zu machen. Dazu wird es einen Wettbewerb geben, der in Kooperation mit Partnern wie der DB Station&Service AG und der Agentur Bahnstart ausgerichtet wird. Die Gewinner werden Ende 2024 bekannt gegeben.

Auf der Tagung berichteten Gäste und Projektteilnehmende von ihren Sichtweisen und Erfahrungen. Vera Moosmayer, Referatsleiterin im Bundesbauministerium, sieht das Kriterium der Vitalität zum einen dadurch erfüllt, dass ein Bahnhof gut erreichbar und angebunden sein muss, es also beispielsweise Radwege und Fahrradstellplätze, aber auch zusätzliche Haltepunkte entlang der Strecken braucht, damit Verkehrsstationen im ländlichen Raum vom Aufschwung des Bahnverkehrs zwischen den Metropolen profitieren. Zum anderen sollte ein Bahnhof zusätzlichen Mehrwert durch Service- und Einkaufsmöglichkeiten schaffen, welche das Angebot im Ort sinnvoll ergänzen, ohne dass reine Shopping-Center wie an Flughäfen entstehen.

Einblicke in eine gelungene Revitalisierung gab Peter Möller, Aufsichtsrat der Genossenschaft Bahnhof Rottenbach. Ein Patentrezept gebe es nicht, stellte Möller klar, die Vorgehensweise hänge immer von den Gegebenheiten im Einzelfall ab. In der thüringischen Gemeinde hatten die Bürger das Schicksal ihres Bahnhofs selbst in die Hand genommen und wurden dafür 2020 mit einem Sonderpreis im Wettbewerb „Bahnhof des Jahres“ ausgezeichnet. Möller verschwieg dabei nicht die Hürden, die bei der Sanierung des historischen Gebäudes zu meistern waren, wie etwa die Auflagen des Denkmalschutzes oder Konflikte zwischen Genossenschaft und Kommune über Zeitplan und Kostenrahmen des Projektes.

Melanie Herget von der Universität Kassel und Frank Hunsicker von der Nuts One GmbH verdeutlichten, welche Rolle Bahnhöfe in Mobilitätskonzepten für den ländlichen Raum spielen. Dabei hoben sie die Bedeutung einer leicht verständlichen und verlässlichen Anschlussmobilität hervor. Es sei kein realistisches Ziel, die private Pkw-Nutzung gänzlich abschaffen zu wollen, aber zumindest eine Überausstattung der Haushalte mit Zweit- oder Drittwagen überflüssig zu machen.

Die Wegezeiten mit dem Auto blieben bei alternativen Mobilitätsformen immer die Benchmark – auch in den Randzeiten dürfe die Reise nicht deutlich länger als mit dem Pkw dauern, damit der Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel attraktiv wird.

Um die Großstadtbahnhöfe ist es indes nicht schlecht bestellt, wie ein Ranking der in den USA ansässigen Verbraucherschutzorganisation „Consumer Choice Center“ zeigt. Darin waren mit Frankfurt am Main, München, Berlin, Hannover und Düsseldorf gleich fünf deutsche Verkehrsstationen unter den Top 10 des Jahres 2022 vertreten. Zu den Kriterien der Bewertung zählten unter anderem die Zahl der Passagiere, der Gleise und der Verbindungen, das Angebot an Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten, das Vorhandensein von Aufzügen, Rolltreppen und WLAN sowie die Barrierefreiheit.

Mehr zum Projekt „Bahnhöfe als Drehscheiben nachhaltiger Mobilität“ unter:
www.allianz-pro-schiene.de/themen/forschungsprojekte/nachhaltige-drehscheibe-bahnhof

(21.12.2022)