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Mobilität aus einer Hand

Wie die BVG die Zukunft des Stadtverkehrs gestaltet

E-Autos, E-Bikes und Bushaltestelle auf einem Areal
Visualisierung eines Jelbi-MobilityHubs (Quelle: BVG/Vossing Ingenieurgesellschaft)

Das ganze Spektrum des öffentlichen Nahverkehrs aus einer Hand nutzen: Die Gründungsvision der BVG ist heute aktueller denn je. Durch die Digitalisierung stellt sich die Frage, wie dieser Gedanke umgesetzt wird, noch einmal neu. Entscheidend wird es sein, Busse und Bahnen mit den vielfältigen Mobilitätsangeboten zu verknüpfen. Nur dann können die Berlinerinnen und Berliner wirklich unabhängig vom eigenen Auto sein.

Vor 90 Jahren nahmen die Berliner Verkehrs­betriebe Fahrt auf. Unter dem damaligen Namen Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft – daher die Abkürzung BVG – wurden auf Initiative von Verkehrsstadtrat und späterem Regierenden Bürgermeister Berlins Ernst Reuter mehrere Verkehrsunternehmen zusammengeschlossen.

Noch im Jahr zuvor, 1928, gab es eine Vielzahl an Straßenbahn-, Omnibus- und U-Bahn-Gesellschaften ohne abgestimmte Fahrpläne oder Fahrpreise. Wer umstieg, musste einen neuen Fahrschein lösen. Viele Berlinerinnen und Berliner nahmen daher deutlich längere Fahrzeiten in Kauf, nur um nicht Umsteigen und daher doppelt zahlen zu müssen. In einer aufstrebenden Industriemetropole mit rund 4 Millionen Einwohnern und gerade einmal 25 Pkw pro 1.000 Einwohnern ein untragbarer Zustand. Oder um es mit heutigen Worten zu sagen: nicht smart!

Ernst Reuter erkannte damals die Bedeutung smarter Mobilität für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und verwirklichte mit der Gründung der BVG seine Vision, Mobilität aus einer Hand für alle Berlinerinnen und Berliner anzubieten. Das ganze Spektrum des Nahverkehrs aus einer Hand und einfach zu nutzen, das war ab dem 1. Januar 1929 auf einmal möglich.

Diese Vision ist heute aktueller denn je. Heute geht es jedoch darum, den klassischen Nahverkehr aus Bussen und Bahnen mit neuen Mobilitätsangeboten zu verknüpfen und so erneut Mobilität aus einer Hand anzubieten, unabhängig vom privaten Pkw. Dabei spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Der Ausdruck „Mobilität aus einer Hand“ ist dank Smartphone mittlerweile wörtlich zu verstehen. Als Nahverkehrsunternehmen muss sich die BVG also die Fragen stellen, welche Rolle Busse und Bahnen in Zukunft spielen werden, und welche Strategie gegenüber den neuen Mobilitätsangeboten die richtige ist.

Bus und Bahn als Rückgrat des Stadtverkehrs

Viele Städte in Deutschland verzeichnen ein Bevölkerungswachstum, insbesondere die großen Wirtschaftszentren. So wächst Berlin jährlich um rund 40.000 Menschen.[1] Neben den Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt spüren wir das vor allem im Verkehr. Zwar wächst die Anzahl der privaten Pkw nicht im gleichen Maße, aber doch stetig. Kein Wunder also, dass Berlin 2018 die Stauhauptstadt Deutschlands war – rund 154 Stunden standen die Berlinerinnen und Berliner nach einer Erhebung des Verkehrsdatenanbieters Inrix im Stau.[2]

Allein diese Zahl führt zur Erkenntnis, dass das private Auto kein Teil der Mobilität der Zukunft sein kann – zumindest nicht in den Städten. Eine hohe Lebensqualität mit sauberer Luft und viel Platz für Parks, Spielplätze und freie Flächen für Menschen schaffen wir nur mit der Bündelung der Verkehre. Viele Menschen schnell und zuversichtlich an ihr Ziel zu bringen, das ist von jeher die Kernkompetenz der BVG. Und hierfür sind Busse und Bahnen auch in Zukunft die wichtigsten Verkehrsmittel.

Mit den 10 U-Bahn-, 22 Straßenbahn- und 154 Bus­linien bringt die BVG an einem Werktag 3,5 Millionen Fahrgäste sicher, zuverlässig und umweltfreundlich ans Ziel. Dazu kommen noch rund 1,4 Millionen Fahrgäste der S-Bahn Berlin. Im Jahr 2018 wurde mit über 1,1 Milliarden Fahrgästen allein bei der BVG ein neuer Fahrgastrekord aufgestellt. Eine so hohe Zahl an Fahrgästen zu befördern, das können keine privaten Autos, kein Car- oder Ridesharing-Anbieter und auch kein Flugtaxi leisten, sondern nur Busse und Bahnen.

Damit der klassische Nahverkehr auch in Zukunft das Rückgrat der städtischen Mobilität bleibt und weiterwachsen kann, investiert die BVG kräftig in Fahrzeuge und Infrastruktur. Gemeinsam mit dem Land Berlin plant und baut die BVG knapp 70 Kilometer neue Straßenbahnstrecken und prüft derzeit auch den Ausbau der U-Bahn. Aktuell beschafft die BVG bis zu 1.500 neue U-Bahnwagen, das ist der größte U-Bahnkauf in der Geschichte der BVG. Gleichzeitig erneuert die BVG die Busflotte mit bis zu 1.150 hochmodernen neuen Bussen.

Zum Stadtverkehr der Zukunft gehört natürlich auch, dass neben U-Bahn und Straßenbahn auch der Busbetrieb nach und nach auf Elektromobilität umgestellt wird. Bei der Beschaffung von E-Bussen startete die BVG dieses Jahr mit der Hochlaufphase. Seit April sind die ersten E-Busse aus einer Serienfertigung bei der im Einsatz, 28 werden dieses Jahr noch folgen. Gleichzeitig wird auch die Infrastruktur auf den Betriebshöfen und an Endhaltestellen entsprechend ausgebaut. Und ab 2030 werden dann alle Verkehrsmittel des Nahverkehrs in Berlin lokal emissionsfrei fahren. E-Busse und Straßen- sowie U-Bahnen bleiben auch in Zukunft der tragende Pfeiler einer smarten Stadtmobilität. Daran werden keine Sharing-Angebote etwas ändern.

Und dennoch: Mit der Digitalisierung drängten in den vergangenen Jahren auch in der Verkehrsbranche neue Dienstleistungen auf den Markt. Das sogenannte Free Floating Carsharing machte den Anfang der digitalen Mobilitätsangebote. Mit dem Smartphone können Autos reserviert, geöffnet, ausgeliehen und am Ziel einfach wieder abgestellt werden, als wäre sie private Autos. Es folgten Bike-sharing, Ridesharing, E-Motorroller zum Teilen, bald vermutlich auch elektrische Tretroller, deren Genehmigung für den Straßenverkehr nur noch eine Frage der Zeit ist.

Sharing ist sichtlich das Schlagwort der digitalen Mobilitätsangebote. Geteilt werden die Fahrten natürlich auch im Bus und in der Bahn, doch diese neuen Mobilitätsangebote bieten die Möglichkeit, auch individuelle Wünsche der Fahrgäste zu bedienen. In Ergänzung zu Bussen und Bahnen sprechen sie insbesondere die junge Stadtbevölkerung an – die Nahverkehrs­nutzerinnen und -nutzer der Zukunft.

gelber Bus der Berliner Verkehrsbetriebe beim Einbiegen in eine Straße
E-Busse werden ein tragender Pfeiler der smarten Stadtmobilität bleiben (Foto: BVG/Oliver Lang)

BVG-App „Jelbi“ macht unabhängig vom privaten Auto

Die BVG wird mit ihrer 90-jährigen Erfahrung als Mobilitätsanbieter Nummer 1 dieser Stadt, auch in Zukunft Berlins Mobilität am besten organisieren. Daher hat sich die BVG bewusst dazu entschieden, die Sharing-Angebote nicht als Konkurrenz anzusehen, sondern als Partner einer smarten Mobilität in unserer Stadt. Das gemeinsame, übergeordnete Ziel heißt: Die Berlinerinnen und Berliner unabhängig machen vom privaten Auto. Dabei ist es die BVG, die am besten den klassischen Nahverkehr mit den neuen, digitalen Mobilitätsangeboten verknüpfen kann. Und mehr noch: Die BVG entwickelt neue Angebote, sie bietet diese selbst an und vernetzt die Mobilität für Berlin.

Momentan existieren die Mobilitätsangebote eher nebeneinander her als miteinander. So benötigen Nutzerinnen und Nutzer für den Nahverkehr und für die verschiedenen Sharing-Angebote jeweils eine eigene App. Bei allen Anbietern muss man sich mit den persönlichen Daten einzeln registrieren und hat keine Möglichkeit, die unterschiedlichen Angebote für die Strecke, die man zurücklegen will, zu vergleichen. Das wird die BVG ändern.

Was wir benötigen, ist eine App, die alles kann: Mit einem Login alle Möglichkeiten ans Ziel zu kommen vergleichen und dann die beste Option für jede Wetterlage reservieren, buchen und bezahlen. All das kann die BVG-App Jelbi, die wir ab Sommer unseren Fahrgästen anbieten. Technischer Partner ist dabei das Start-up Trafi, das neben den baltischen Hauptstädten bereits App-Lösungen für Metropolen wie Rio de Janeiro, Jakarta und Istanbul geschaffen hat.

Die Suche nach potenziellen Partnern, die sich für Jelbi mit der BVG zu einem Bündnis für die umweltfreundliche Mobilität von morgen zusammentun wollen, war einfach. Bereits in einem ersten Interessen-bekundungsverfahren meldeten sich innerhalb weniger Wochen mehr als 25 Mobilitätsanbieter – von der großen S-Bahn Berlin über Taxi Berlin und namhaften Car- und Bikesharing-Unternehmen bis zu (noch) kleinen Berliner Startups.

Wer in Berlin von A nach B kommen möchte, wird nichts anderes benötigen als Jelbi. Durch die Möglichkeit, einfach zwischen Nahverkehr, Taxi und mehreren Sharing-Angeboten wählen zu können, ist jede Nutzerin und jeder Nutzer so flexibel unterwegs, wie es der private Pkw suggeriert, dabei aber völlig unabhängig. Ob Bus und Bahn bei weiten Strecken oder Regen, Fahrrad oder E-Roller bei schönem Wetter, BerlKönig für etwas höheren Komfort oder Carsharing für den Großeinkauf: Für alles ist Jelbi der digitale Anlaufpunkt.

Die Vernetzung der Mobilitätsangebote wird neben dem Smartphone auch analog sichtbar werden. Am U-Bahnhof Prinzenstraße in Kreuzberg steht der erste Mobilitätshub Berlins kurz vor der Eröffnung. Mobilitätshubs in der ganzen Stadt verteilt an U- und S-Bahnhöfen werden sozusagen der analoge Zwilling der Jelbi-App sein. Hier werden die Fahrgäste bequem von Bus und Bahn auf Leihräder, Carsharing oder E-Motorroller umsteigen können – und natürlich auch andersherum. Die Hubs sind Abstellfläche für die unterschiedlichen Verkehrsmittel und bieten zudem gebündelte Informationen zu den Angeboten. Sie sind damit Anlaufstelle für die Mobilität in der Stadt und machen so die Berlinerinnen und Berliner unabhängig vom privaten Auto.

Neue Wege durch die Stadt mit dem BerlKönig

Als Mobilitätsanbieter der Zukunft vernetzt die BVG Bahnen und Busse mit neuen Angeboten und entwickelt diese auch selbst. Ein sehr erfolgreiches Beispiel hierfür ist der BerlKönig. Fachlich exakt ist dies ein On-Demand-Ridesharing-Service. Übersetzt: Die Fahrgäste rufen per App den BerlKönig und steigen an definierten Punkten ein und aus. Das können BVG-Haltestellen, aber auch neue „virtuelle“ Haltepunkte (zum Beispiel Kreuzungen) im Bediengebiet sein. Der maximale Fußweg zum Haltepunkt beträgt fünf Minuten.

Das Wichtigste: Ein Algorithmus berechnet die beste Route und prüft, ob unterwegs weitere Fahrgäste mit ähnlichem Fahrziel aufgenommen werden können. So werden Fahrten gebündelt und der Individualverkehr verringert. Preislich liegt der Fahrpreis zwischen einem Einzelticket für den Nahverkehr und den Kosten für ein Taxi.

Sigrid Nikutta vor einem BerlKönig-Fahrzeug der Berliner Verkehrsbetriebe
BVG-Chefin Sigrid Nikutta bei der Vorstellung des Ridesharing-Angebots BerlKönig (Foto: BVG/Oliver Lang)

Der BerlKönig startete in Berlin innerhalb des östlichen S-Bahnrings, also in Mitte, Prenzlauer Berg, Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln. In diesen Stadtteilen wurde die Zielgruppe erwartet, die sich für neue Mobilitätsangebote interessieren und diese nutzen. Und das ist voll aufgegangen: Seit dem Start des BerlKönigs wurden bereits über 300.000 Fahrgäste ans Ziel gebracht. Derzeit befinden wir uns noch in einer Testphase, doch wenn das Angebot erst einmal bekannt ist, werden sicherlich weitere Stadtteile hinzukommen.

Auch in Randbezirken sowie sogar bis in brandenburgische Gemeinden hinein sind solche Angebote geplant, um Pendler aus den privaten Pkw zu locken und zum nächsten U- oder S-Bahnhof zu bringen. Mit dem BerlKönig und Jelbi bietet die BVG also die ideale Ergänzung zu Bussen und Bahnen.

Dank öffentlicher Mobilität flexibel und unabhängig unterwegs

In Zukunft werden wir Städte erleben, in denen der öffentliche Nahverkehr noch mehr als heute Rückgrat der Mobilität ist. Mit dichten Takten, einem Angebot selbstverständlich rund um die Uhr und umweltfreundlichen Bahnen und E-Bussen kommen alle immer sicher ans Ziel. Smart vernetzte Angebote bieten für jeden Anlass, für jede Strecke und für jede Wetterlage die beste Option. So bewegen sich die Menschen flexibel und unabhängig durch die Städte, mit dem Wissen, nie an einem Ort zu stranden.

Die BVG wird der Mobilitätsanbieter dieser Zukunft sein. Noch mehr als heute werden die Berlinerinnen und Berliner sich auf die gelben Busse und Bahnen verlassen können. Und sie werden wissen, mit nur wenigen Klicks finde ich den schnellsten Weg nach Hause, zur Familie oder zu Freunden. Diese Unabhängigkeit und Flexibilität, die nur die vernetzte öffentliche Mobilität bieten kann, wird so selbstverständlich sein, dass sich die Menschen fragen werden, ob es jemals anders gewesen war, und schützen dabei ganz nebenbei Luft, Umwelt und Klima.


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