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17. Kongress für Eisenbahnbetriebsleiter und Sicherheitsmanager

Aufbruch zu neuen Ufern beim EBL-Kongress von DB Training

die beiden Moderatoren auf der Bühne
Gastgeberin Sylke Schmidt führte zusammen mit Moderator Thomas Hösterey durch den Kongress (Foto: Philipp von Recklinghausen)

Ausgezeichnet organisiert, inhaltlich in die Zukunft gerichtet und thematisch auf den Punkt gebracht: Der 17. Kongress für Eisenbahnbetriebsleiter und Sicherheitsmanager, den DB Training, Learning & Consulting im November in Karlsruhe veranstaltete, ließ bei den rund 150 Teilnehmenden keine Wünsche offen. Wie Bahnbetrieb, Infrastruktur und Fahrzeuge im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Digitalisierung weiterentwickelt werden, war das Leitthema der Veranstaltung.

Der EBL-Kongress von DB Training, Learning & Consulting, dem Beratungs- und Qualifizierungsdienstleister der Deutschen Bahn AG, fand erstmalig in hybrider Form statt: 50 Teilnehmer*innen war es möglich, im November in die Messehallen der Stadt Karlsruhe zu kommen. Weitere 100 saßen als virtuell Teilnehmende vor den Bildschirmen ihrer Laptops und Computer. Beide Varianten funktionierten reibungslos: Während die Teilnehmenden vor Ort unter Beachtung des Hygienekonzepts (2G Plus) in den Genuss eines nahezu klassisch aufgebauten EBL-Kongresses kamen, profitierten die virtuell Teilnehmenden von einer verbesserten Übertragungstechnik im Vergleich zur reinen Online-Veranstaltung im Vorjahr.

Eröffnung

Gastgeberin Sylke Schmidt zeigte sich bei ihrer Eröffnung an der Seite von Moderator Thomas Hösterey denn auch sichtlich zufrieden, unter den gegebenen Bedingungen einen EBL-Kongress veranstalten zu können und warb dabei um Verständnis für die klaren Regeln, die das Hygienekonzept – das zum Beispiel das Tragen von Masken auch während der Vorträge, mit Ausnahme der Sprechenden, verlangte – allen Teilnehmenden auferlegte: „Die Freude, hier sein zu dürfen, ist groß, und wir wollen ganz viel von diesem Kongress mitnehmen – aber auf keinen Fall Corona!“, sagte Schmidt.

Die Veranstaltung bot einen kompakten Mix aus Vorträgen und Diskussionen rund um für Eisenbahn­betriebsleiter und Sicherheitsmanager relevante Themen. Der Akzent wurde dabei auf die zukünftige Ausgestaltung des Systems Bahn gelegt: auf die Modernisierung von Infrastruktur und Fahrzeugen und auf den digitalisierten Betrieb. Hinzu kamen die Themen Sicherheit, Sicherheitsmanagement und Human Factor.

Fahrzeuge

Den ersten Impulsvortrag gab Dr. Jörg Nikutta von Alstom, der unter dem Motto „Umweltfreundliche Mobilität auf der Schiene: Wasserstoffzüge und Batterie­züge auf Strecken ohne Oberleitung“ auf nachhaltige und wirtschaftliche Alternativen zu Dieselloks einging. Streckenelektrifizierung sei teuer und koste Zeit, führte Nikutta aus: Lediglich 40 Prozent des Schienennetzes in Deutschland seien derzeit mit Oberleitungen ausgestattet, was zur Folge habe, dass 36 Prozent aller Züge im Schienenpersonennah­verkehr (SPNV) Dieselloks seien. Zu dieser nicht eben umweltfreundlichen, aber sehr effizienten Antriebsart (eine Diesellok bringt es mit einer Tankfüllung auf rund 1.000 Streckenkilometer) gebe es derzeit zwei Alternativen, sagte Nikutta: den mit Wasserstoff als Primärenergie angetriebenen Brennstoffzellenzug und den Oberleitungs-Elektrotriebzug (EMU) mit Batteriebetrieb. Beide Lösungen könnten emissionsfrei sein und den Sprung weg von fossilen Energien zu energieeffizienten Antriebsarten bedeuten.

Alstoms Brennstoffzellenzug, der Coradia iLint 54 (Reichweite zirka 1.000 Kilometer), sei de facto eine Weiterentwicklung eines Elektrozugs, nur mit der Primärantriebsenergie Wasserstoff plus der Unterstützung von Li-Ionen-Batterien zum Energiemanagement, führte Nikutta weiter aus. Wasserstoff als Energieträger habe den Vorteil, dass er gespeichert und gelagert werden könne, aber für einen flächendeckenden Einstieg in eine „Wasserstoff-Mobilitätswirtschaft“ sei eine Tankstellen-Infrastruktur notwendig, die eine solche Mobilitätswirtschaft auch versorgen könne.

Mit dem Coradia Continental hat Alstom außerdem ein EMU mit Batterie im Programm: Hier liege die Herausforderung im Gewicht der (im Vergleich zum Coradia iLint 54 noch schwereren) Li-Ionen Batterien, die den Zug rund 100 Kilometer über eine oberleitungsfreie Strecke fahren können. Auch in Bezug auf Sicherheitskonzepte seien Batterien anspruchsvoll und müssten mit Stahlummantelungen gegen Fahrgastraum und Oberleitung abgeschirmt werden. Darüber hinaus seien Ladezeiten und Entsorgung von Batterien nicht trivial: Nikutta sah in diesem Zusammenhang die Pläne der DB Netz AG kritisch, auf bislang nicht elektrifizierten Strecken sogenannte Oberleitungs­inseln einzurichten: Bei zu schnellen Ladezeiten könnten Batteriesätze rasch an Leistungsfähigkeit verlieren.

Nahaufnahme Dirk Menne
Dirk Menne erläuterte die Entwicklung des neuen Betrieblichen Zielbilds
der DB Netz AG (Foto: Philipp von Recklinghausen)

Digitaler Betrieb

Dirk Menne, Leiter der Betriebssteuerung bei der DB Netz AG, gab den Teilnehmenden anschließend einen Ausblick auf das Thema „Digitalisierung – Entwicklung des Betrieblichen Zielbilds“. Drei Prämissen habe das neue Betriebliche Zielbild zu erfüllen, erläuterte Menne: Es müsse erstens offen für technische und betriebliche Entwicklungen sein. Zweitens sei zu gewährleisten, dass bewährte Funktionalitäten weiter abgebildet werden könnten. Und drittens müsse es Rückfallebenen vorhalten.

Um die Fahrdienstvorschrift so weiterzuentwickeln, dass diese einen digitalen Bahnbetrieb sicher und effizient gewährleistet, hat die DB Netz AG den Angaben zufolge die bislang übliche Logik umgedreht, wonach die Vorschrift sich der Technik anzupassen habe. Das Ziel ist es nun, einen hochwertigen Bahnbetrieb zunächst in einem Betrieblichen Zielbild zu beschreiben und daraus dann konkrete Anforderungen zur Entwicklung funktionaler technischer Lösungen abzuleiten.

Hintergrund: Im Zuge der europaweiten Harmonisierung der Zugbeeinflussungssysteme die derzeitigen Systeme Punktförmige (PZB) und Linienförmige Zug­beeinflussung (LZB) abgelöst werden. Als deutschlandweit flächendeckende Lösung für die Infrastruktur der DB Netz AG wird das European Train Control System, Level 2 ohne Lichtsignale (ETCS L2oS) mit digitalen Stellwerken (DSTW) angestrebt. In insgesamt vier Pilotprojekten beziehungsweise sogenannten Starterpaketen – zwei davon im Digitalen Knoten Stuttgart, die anderen beiden auf dem Skandinavien-Mittelmeer-Korridor und auf der Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main – soll ETCS L2oS in den kommenden Jahren erprobt werden, bevor das Zugbeeinflussungssystem in den Flächenrollout gehe, sagte Menne.

Digitale Lernformen

Im anschließenden Vortrag ging Eva Röthlisberger auf das Thema „Digitale Arbeitswelten und neue Lernformen“ bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ein. Die Leiterin Steuerung und Entwicklung bei SBB Bildung beschrieb dabei vor allem zwei aktuelle Programme ihres Unternehmens: Einmal habe es begonnen, gezielt die digitalen Kompetenzen seiner Mitarbeitenden zu schulen. Zuletzt hätten aufgrund der Corona-Pandemie 16.000 Mitarbeitende im Home-Office gearbeitet, sagte Röthlisberger. Zum anderen versuche die SBB, den Wissensabfluss zu kompensieren, der durch die demographische Entwicklung beziehungsweise den altersbedingten Rückzug vieler Mitarbeitender in den vergangenen und in den kommenden Jahren bedingt sei.

Auf Nachfrage teilte Röthlisberger mit, dass nach ihren Erfahrungen zwar nicht alle Themen in digitalen Lernformen zu vermitteln seien, es aber auf der anderen Seite auch nicht ausgeschlossen sei, dass auch sicherheitsrelevante Inhalte digital geschult werden könnten – ein Thema, das in der Branche seit Jahren kontrovers diskutiert wird. Ein echte „Knacknuss“ sei zudem die prinzipielle Frage, aus welchen unterschiedlichen inhaltlichen und didaktischen Elemente konkrete Wissenselemente zusammengesetzt werden sollten, damit sie einen Gewinn für die Mitarbeitenden darstellten. Hier habe die SBB die besten Erfahrungen mit einer konsequenten Einbindung der Zielgruppe, zum Beispiel mithilfe von sich wiederholenden beziehungsweise iterativen Interviewprozessen gemacht, sagte Röthlisberger.

Sicherheitskultur

Die nächsten drei Vorträge des EBL-Kongresses drehten sich allesamt um das Thema Sicherheit: So sprach Olaf Mette von der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) über „Anforderungen an Sicherheitsmanagementsysteme“ in Bezug auf menschliche und organisatorische Faktoren (MOF). Wenn man Unfälle und Störungen im Bahnbetrieb systematisch auf der Zeitachse betrachte, sei ein stetiger Rückgang von Vorfällen zu beobachten – mit Ausnahme der Vorfälle, die auf menschliches Versagen zurückzuführen seien. Die Schlüsselfrage sei deshalb, wie sogenannte sozio-technische Systeme gestaltet werden müssten, damit sie zusammen mit den Menschen, die in ihnen arbeiten, möglichst optimal funktionieren, sagte Mette.

Oliver Terhaag, Vorstand Produktion bei der DB Regio AG, bestätigte die Sichtweise Mettes und sagte in seinem Vortrag, dass auch nach seinem Dafürhalten eine stärkere Berücksichtigung von MOF-Faktoren eine weitere Verbesserung der Betriebssicherheit herbeiführen könne. Grundlage dafür sei eine Verbesserung der Sicherheitskultur seines Unternehmens, das dafür neue Leitlinien aufgestellt habe, die die Unternehmenskultur auf ein gegenseitiges Vertrauen und einen offenen Umgang mit Fehlern aufzubauen suche.

Wie DB Regio dies konkret umsetzt, beschrieb im anschließenden Vortrag Markus Lorenz unter dem Motto „Umsetzung der Anforderungen des 4. Eisenbahnpaketes hinsichtlich Human Factor und Sicherheitskultur“. Lorenz plädierte dabei für einen echten Kulturwandel in der Branche, in dessen Zuge die Mitarbeitenden in den Fokus rückten und das Thema Sicherheit als gemeinschaftliche Aufgabe zu sehen sei: Aufgrund der zunehmenden Komplexität der technischen Systeme funktionierte die altherbrachte Trennung zwischen Betriebs- und Arbeitssicherheit beziehungsweise Safety und Security nicht mehr und sei eine ganzheitliche Sicht auf das Thema Sicherheit notwendig, sagte Lorenz.

Vortragender mit Charts auf der Leinwand
Ascan Egerer führte die Teilnehmenden in die Details der Karlsruher Kombilösung ein (Foto: Philipp von Recklinghausen)

Infrastruktur

Bevor die Teilnehmenden des EBL-Kongresses zum Abschluss des zweiten Veranstaltungstags den neuen Karlsruher Stadtbahntunnel besichtigten, stellte ihnen Ascan Egerer die „Karlsruher Kombilösung und die Vorbereitung des Betriebes im neuen Stadtbahntunnel“ zunächst vor. Kerngedanke der Kombilösung sei gewesen, unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur die Region an die Stadt Karlsruhe gut anzubinden und dabei gleichzeitig einer Überlastung des Innenstadtverkehrs vorzubeugen, sagte Egerer.

Summa summarum besteht nach Angaben des Baden-Württembergischen Verkehrsministeriums die 1,5 Milliarden Euro teure Karlsuher Kombilösung aus dem neu erbauten Stadtbahn- und Straßenbahntunnel unter der Kaiserstraße mit einer Länge von 2,4 Kilometern und vier neuen Haltestellen sowie dem etwa 1,2 Kilometer langen Tunnel-Südabzweig vom Marktplatz in die Ettlinger Straße mit drei neuen Haltestellen. Zum Projekt gehört auch der Umbau der Kriegsstraße mit einer neuen oberirdischen Gleistrasse sowie einem darunterliegenden 1,6 Kilometer langen Autotunnel.

Neben dem Projekt und dessen einzelnen Bauphasen erläuterte Egerer den Teilnehmenden das Sicherheits- und Brandschutzkonzept für den neuen Tunnel. Außerdem ging der ehemalige technische Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) und der Alptal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) auf das durch den Tunnelbetrieb neue Betriebsverfahren ein: Insgesamt seien 1.200 Personale, darunter 450 VBK-Fahrer*innen und 520 AVG-Fahrpersonale dafür geschult worden sagte Egerer, der seit November als Dezernent für Mobilität der Stadt Köln arbeitet, das Inbetriebnahme­projekt Kombilösung Karlsruhe übergangsweise bis zu seinem Abschluss begleitet.

Bühne und Auditorium - weit auseinander gestellte Tische
Michael Fabian zog mit seinem Vortrag zum Eisenbahnrecht die Zuhörenden in seinen Bann (Foto: Philipp von Recklinghausen)

Eisenbahnrecht

Bevor es dann aber zur Exkursion ging, gehörte Michael Fabian die Bühne, der wie immer detailliert und unterhaltsam über „Neues aus dem Eisenbahnrecht“ informierte. Der Rechtsexperte des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) nahm dabei unter anderem zu Entwicklungen im europäischen Eisenbahnrecht, zu den Änderungen im Eisenbahnkreuzungsrecht und zum Investitionsbeschleunigungsgesetz Stellung. Zu letzterem Thema lesen Sie bitte auch den Beitrag Fabians in der vorliegenden Ausgabe ab Seite 14.


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