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Verkehrswende

Das Jahrzehnt der Bahn und neuer, vernetzter Mobilität hat begonnen

Unterwegs im winterlichen Bayern - Ein ICE 4 Baureihe 412 fährt als ICE 581 von der Alster an die Isar - hier auf der viergleisigen Strecke bei Hattenhofen
Foto: DB AG/Uwe Miethe

„Die Zeit fährt Auto.“ So hatte es Erich Kästner schon 1928 in einem Gedicht diagnostiziert. Und fuhr seinerzeit pointiert fort: „Doch kein Mensch kann lenken.“ Kästner kannte den Klimawandel natürlich nicht und würde seine Verse sicher auch bildlich verstanden wissen wollen. Unabhängig davon lautet für uns heute die eindeutige Aufgabe: Mehr als jede Generation vor uns müssen wir das Lenkrad in Richtung ökologischer Verkehrswende drehen. Die Zeichen hierfür stehen weiterhin gut.

Der Klimawandel hat eine junge Generation neu politisiert. Die Verkehrswende bleibt auch in Zeiten der Pandemie als gesellschaftlich wertvolle Zielsetzung fest auf der politischen Agenda unseres Landes verankert. Die Bundesregierung hat ein milliardenschweres Klimapaket geschnürt. Selten war in unserem Land so viel in Bewegung für eine nachhaltige Zukunft von Transport und Verkehr.

Für die vor uns liegende Dekade auf dem Weg zum Klimaziel-Jahr 2030 ist unstrittig: Die Eisenbahn in Deutschland und die vielfältigen Angebote des öffentlichen Nahverkehrs sind das Rückgrat der Verkehrswende. Und schon heute erweist sich unsere Branche als experimentierfreudig und innovativ. Gerade auch im engen Schulterschluss von Unternehmen mit Aufgabenträgern, Städten und Kommunen.

Integrierter ÖPNV mit ioki Hamburg

Das zeigt das Beispiel Hamburgs. Rund 25 Millionen Kilometer legen Privatfahrzeuge täglich innerhalb Hamburgs zurück. On-Demand-Shuttles können hiervon 6,5 Millionen Kilometer und damit täglich tausend Tonnen CO2 einsparen. Das zeigt eine Studie der DB-Tochter ioki, dem Geschäftszweig der Deutschen Bahn für sogenannte On-Demand-Mobilität.

Auto vor Bushaltestelle
ioki-Shuttle Hansestadt Hamburg (Foto: DB AG)

Für die Studie hat ioki gemeinsam mit der Hamburger Hochbahn eine umfassende Verkehrsanalyse durchgeführt. Auf dieser Grundlage haben die DB-Experten dann ein Konzept für 2030 entwickelt, in dem herkömmlicher ÖPNV mit neuen Sharing-Angeboten zu einem integrierten ÖPNV verknüpft wird. Die Angebote des iÖPNV sind leicht zugänglich und in den Tarif des Hamburger Verkehrsverbundes integriert.

Das Fazit: Shuttle-Fahrzeuge, die per App bestellt Fahrgäste zum Tarif des Nahverkehrs auf flexiblen Routen ans Ziel bringen, bieten weitreichendes Potenzial für eine klimaschutzorientierte Mobilitätswende in Hamburg. Vor allem die Stadtteile im Nordosten Hamburgs, in denen der ÖPNV bis dato noch Lücken aufweist, würden durch Mobilitätslösungen, die dem individuellen Bedarf der Fahrgäste und nicht festen Fahrplänen folgen, deutlich aufgewertet. Und das beweisen wir schon heute: Seit 2018 ist „ioki Hamburg“ als On-Demand-Angebot in den Stadtteilen Osdorf, Lurup und seit 2019 auch in Billbrook etablierter Bestandteil des Nahverkehrs. Im Dezember 2020 konnten wir mit Ahrensburg, Stormarn und Winsen drei weitere Gebiete im Umland anbinden.

On-Demand-Mobilität für das Rhein-Main-Gebiet

Mit neuen Mobilitätslösungen geht auch die Region Frankfurt/Rhein-Main voran. Hier startet zum Jahresbeginn eines der größten On-Demand-Mobilitätsvorhaben Europas, von dem langfristig bis zu 1,8 Millionen Menschen im Ballungsraum profitieren. Erstmalig in Deutschland realisieren wir hier gemeinsam mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund und unterstützt vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ein solches flexibles Mobilitätsangebot über mehrere Städte und Landkreise hinweg. Und das nicht etwa als Test oder Pilot, sondern fest integriert im Regelbetrieb.

2 Personen vor dem Projekt-Logo
RMV und ioki starten europaweit einmaliges On-Demand-Projekt (Foto: RMV/Arne Landwehr)

Gemeinsam mit dem Verkehrsverbund verbinden wir das Rückgrat nachhaltiger Mobilität, den klassischen ÖPNV, mit Angeboten der digital getriebenen neuen Mobilität und schaffen so für den Fahrgast einen echten Mehrwert. Die intelligente Software und damit das Herzstück des On-Demand-Verkehrsangebots liefert die DB-Tochter ioki, die sich als Technologie-Partner in einer europaweiten Ausschreibung durchsetzen konnte. Die rund 150 emissionsfreien Fahrzeuge werden in zunächst neun Städten und Landkreisen auf flexiblen Routen die Lücke zwischen Haustür und Haltestelle schließen und bieten eine umweltfreundliche Alternative zum privaten Pkw.

ioki-Shuttle und Zug der Südostbayernbahn in Bad Birnbach (Foto: DB AG)

Attraktive Verkehrs­angebote zwischen Metropolregionen

Noch bestehende Lücken im öffentlichen Versorgungsnetz der Mobilität durch innovative und integrierte Konzepte vor Ort zu schließen, ist das eine. Eine andere Aufgabe ist die Stärkung attraktiver Verkehrsangebote insbesondere zwischen Metropol­regionen, um täglich Millionen Menschen umweltfreundlich zu befördern.

In Bayern ist die Zahl der DB-Fernverkehrskunden in den letzten 4 Jahren um rund 20 Prozent gewachsen. Die neue Schnellfahrstrecke zwischen Erfurt und Nürnberg haben 2018 insgesamt knapp 5 Millionen Reisende genutzt. Weil seit Ende 2018 zusätzliche Fahrten und mehr Sitzplatzkapazitäten angeboten werden, ist die Nachfrage bei der Linie München–Berlin im 1. Quartal 2019 weiter gestiegen, um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Von Nürnberg nach Berlin wird mittlerweile keine Flugverbindung mehr angeboten. Die Bahn ist für die meisten Reisenden deutlich attraktiver als Flugzeuge.

Die Verkehrswende ist und bleibt eine echte Generationenaufgabe. In der vor uns liegenden Dekade wollen wir konkrete Fortschritte erzielen und das gegebene Wachstumspotenzial Schritt für Schritt erschließen. Hierauf zielt die DB-Strategie ab, die wir unter den Begriff „Starke Schiene“ gestellt haben. Mit unserer neuen Dachstrategie wollen wir die DB robuster, schlagkräftiger und moderner machen. Mit der „Starken Schiene“ leisten wir einen substanziellen Beitrag für eine klimafreundliche Zukunft unseres Landes.

Die Rahmenbedingungen für das Wachstum der Schiene sind von Bund und Branche klar identifiziert. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, der Masterplan Schienengüterverkehr und das Zukunftsbündnis Schiene geben wichtige Impulse, wie etwa den Deutschlandtakt.

ICE kommt aus einem Tunnel
BR 403 auf Schnellfahrstrecke (Foto: DB AG)

Häufigere und schnellere Verbindungen zwischen den Metropolen ermöglichen den Fahrgästen flexibles Reisen. Dazu bauen wir als Teil unserer Strategie der „Starken Schiene“ ein hochfrequentes Fernverkehrsnetz mit bis zu zwei Zügen pro Stunde zwischen Metropolen auf. Zwischen Berlin und Hamburg ist mit Verbindungen im Halbstunden-Takt der Anfang gemacht. Mit der Inbetriebnahme des neuen Knotens Stuttgart im Dezember 2025 verdoppelt sich die Anzahl der Städte, die mindestens zweimal pro Stunde mit ICE-Zügen angefahren werden, auf mehr als 20.

Modernisierung der DB-Fahrzeugflotte

Ein zentraler Bestandteil der DB-Strategie der „Starken Schiene“ ist die massive Modernisierung der DB-Fahrzeugflotte. Für die kommenden Jahre sind 177 Fernverkehrszüge bestellt. Im Herbst 2019 hat der Aufsichtsrat der DB zudem die Beschaffung von weiteren 30 Hochgeschwindigkeitszüge beschlossen, die insbesondere auf den Schnellfahrstrecken Köln-Rhein-Main und zwischen München–Berlin für deutlich mehr Sitzplätze sorgen werden.

Insgesamt investieren wir bis 2026 allein 8,5 Milliarden Euro in den Ausbau und die Modernisierung der Fernverkehrsflotte. Mittelfristig können durch den Ausbau der Flottenkapazität und in Folge der Mehrwertsteuerabsenkung auf Fernverkehr-Tickets, wie sie endlich zu Beginn des letzten Jahres umgesetzt worden ist, rund 11 Millionen zusätzliche Kunden für den DB-Fernverkehr gewonnen werden.

Kapazität als Schlüssel für Verkehrsverlagerung

Kapazität ist der Schlüssel für Wachstum, Verkehrsverlagerung und gute Betriebsqualität. Auf diesen Sachverhalt müssen wir in den aktuellen Diskussionen immer wieder deutlich hinweisen. So wünschenswert beispielsweise die schnelle Einführung von attraktiven 365-Tage-Tickets ist: Die Leistungsfähigkeit insbesondere von Infrastruktur und gegebenem rollendem Material sollte den Takt vorgeben und vor Ort das entscheidende Prüfkriterium sein.

Darüber hinaus ist unsere Branche gut beraten, die regionale und lokale Vielfalt ihrer Angebotsstrukturen mittelfristig zu überdenken. Digitale Lösungen eröffnen erstmals echte Perspektiven für eine kundenfreundliche Verzahnung der gewachsenen regionalen und lokalen Tarif- und Angebotsvielfalt. Wir befinden uns hier derzeit in einer erfreulich dynamischen Erprobungsphase – auch unabhängig von den digitalen Plattformen der großen Tech-Konzerne. Mehr denn je ist hierbei jedoch auf die Zielstellung einer kundenfreundlichen digitalen Integration von lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Angeboten des umweltfreundlichen Personenverkehrs zu achten. Als Branchenführerin sieht sich die DB in der Pflicht, den Austausch von Unternehmen zu dieser wichtigen Zukunftsfrage der gesamten Branche zu intensivieren.

Die Zeit fährt Bahn, Rad und Bus

100 Jahre nach Erich Kästner wird es heißen: Die Zeit fährt Bahn. Die Zeit fährt Fahrrad und Bus. Sie setzt auf digital gesteuerte On-Demand-Mobilität und Sharing-Modelle. Und dies, weil wir entschlossen in Richtung einer nachhaltigen Verkehrswende gelenkt haben. Das Wachstum des motorisierten Individualverkehrs als Wohlstands-Indikator hat längst ausgedient. Gesellschaften definieren Fortschritt durch den intelligenten und ökologisch nachhaltigen Mix ihrer Verkehrsträger. Die Mobilitätsbranche wird zum Testfall einer neuen produktiven Verbindung von Ökologie und Ökonomie. Unser Land hat hier eine starke Chance, auch weiterhin weltweit wahrgenommene Standards zu setzen.


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