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Betriebsprozesse

Der Digitale Befehl: Prozessbeschleunigung und Arbeitserleichterung im Betrieb

Zug am Halt zeigenden, gestörten Signal. Fdl diktiert Befehl
Links: Zug am Halt zeigenden, gestörten Signal. Rechts: Fdl diktiert Befehl (Foto: Stephan Altmann/DB Netz AG)

Schriftliche Befehle sind ein jahrzehntealtes, betriebliches Verfahren zur Kommunikation zwischen Fahrdienstleiter und Triebfahrzeugführer – besonders im Ereignis- und Störungsfall. Das diktierte Ausstellen ist dabei sehr zeitaufwändig. Die DB Netz AG entwickelt aktuell eine digitale Befehlsübermittlung, die den Betriebsablauf beschleunigen und die beteiligten Mitarbeiter entlasten kann.

Störungen an Signalen, an Bahnübergängen oder am Streckenblock, Personen am bzw. im Gleis: Die Fälle von Störungen im Bahnbetrieb, bei denen ein Befehl erforderlich wird, sind vielfältig.

Das Ausstellen von Befehlen ist ein etabliertes Verfahren zwischen Fahrdienstleiter (Fdl) und Triebfahrzeugführer (Tf). Insbesondere die durch dezentrale Stellwerke inzwischen am meisten verwendete Übermittlungsform durch fernmündliches Diktieren und Wiederholen ist zeitintensiv und wenig innovativ.

Tf empfängt Befehl
Tf empfängt Befehl (Foto: Stephan Altmann/DB Netz AG)

Ein Blick auf den derzeitigen Prozess

Die Befehlsübermittlung vom Fahrdienstleiter (Fdl) zum Triebfahrzeugführer (Tf) erfolgt aktuell durch eine persönliche Übergabe oder fernmündliche Übermittlung über Zugfunk. De facto ist die fernmündliche Übermittlung durch Diktieren das am weitesten verbreitete Verfahren, da die Fdl immer seltener auf Stellwerken an der Strecke bzw. in der Betriebsstelle arbeiten.

Bisher existiert bei der DB Netz AG keine Anwendung, welche die Befehlserstellung beim Fdl und die Übermittlung an den Tf technisch unterstützt. Bei Vorliegen einer Störung muss der Fdl den Stillstand des Zuges abwarten, bis er beginnen kann, dem Tf den Befehl zu diktieren. Nachdem der Tf seine Zugnummer und seinen Standort genannt hat, kann der eigentliche Befehl erteilt werden, wobei dieser auf dem beidseitig bedruckten Befehlsvordruck durch Ankreuzen gültig gemacht werden muss.

Erforderliche Informationen müssen ergänzt werden und Nichtzutreffendes muss schräg durchgestrichen werden. Nachdem der eindeutige Übermittlungscode vom Fdl genannt wurde, muss der gesamte Befehl nochmal durch den Tf wiederholt werden, um sicherzustellen, dass alles korrekt verstanden wurde. Letztendlich wird der Befehl durch Eintragung von Namen, Ort, Datum und Uhrzeit gültig gemacht.

Übermittlung von Befehlen: Vereinfachte Darstellung von IST- und SOLL-Prozess
Übermittlung von Befehlen: Vereinfachte Darstellung von IST- und SOLL-Prozess (Quelle: DB Netz AG)

Die digitale Lösung

Anders als beim konventionellen Verfahren wird beim Digitalen Befehl der Befehl nicht auf einem Papiervordruck, sondern in einer Webapplikation ausgefüllt. Hierfür wird der Fdl durch einen Abfragedialog geführt, bei dem er die relevanten Befehle ausfüllen kann. Es wird zwischen einzelnen Befehlen und der Befehlsnachricht unterschieden, wobei eine Befehlsnachricht mehrere Befehle enthalten kann.

Die Befehlsnachricht entspricht dem Vordruck im konventionellen Verfahren. Die Befehlsnachricht wird nach dem Ausfüllen in einer durch die DB Netz AG betriebenen Cloud abgelegt. Gleichzeitig wird eine SMS mit einem Zugriffscode an das GSM-R-Endgerät des Zuges gesendet.

Der Tf hat nun die Möglichkeit, mit einer App auf seinem mobilen Endgerät die Befehlsnachricht, die für seinen Zug in der Cloud hinterlegt wurde, mit Hilfe des zuvor empfangenen Zugriffscodes abzurufen. Das mobile Endgerät kann dabei z.B. ein Tablet oder Smartphone sein. Durch den Zugriffscode wird sichergestellt, dass wirklich nur der Tf des angesprochenen Zuges die Befehlsnachricht öffnen kann. Gleichzeitig macht diese doppelte Zugriffsschranke das Verfahren sicher.

Es ist seitens der DB Netz AG geplant, eine Befehls-App für den Tf zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich soll eine Schnittstelle geschaffen werden, damit die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) den Digitalen Befehl in ihre bereits bestehenden Anwendungen integrieren können.

Nach einem Standortabgleich werden dem Tf die einzelnen Befehle der Befehlsnachricht angezeigt und er muss jeden einzelnen Befehl lesen und als „gelesen“ markieren, bevor er die komplette Befehlsnachricht quittieren kann. Die Quittierung wird protokolliert und an den Fdl gesendet. Nach dem erfolgreichen Abschluss einer Befehlsnachricht wird diese in ein digitales Archiv verschoben.

Vereinfachte Systemskizze Digitaler Befehl
Vereinfachte Systemskizze Digitaler Befehl (Quelle: DB Netz AG)

Nutzen aus der Anwendung des Digitalen Befehls

Der Digitale Befehl bringt in vielerlei Hinsicht Zeitersparnis. Zum einen entfällt der zeitintensive Prozess des Diktierens und Wiederholens, welcher heute durch Missverständnisse, schlechte Sprechverbindung und Schreibfehler nochmals verlängert werden kann. Der technisch übermittelte Befehl ist eindeutig und zeigt dem Tf zweifelsfrei die gleichen Informationen an, die der Fdl eingegeben hat.

Für den Fdl ist die systemunterstützte Erstellung des Digitalen Befehls durch den geführten Abfragedialog nicht nur zeitsparend, sondern auch arbeitserleichternd. Es ist auch möglich, einen Digitalen Befehl als Vorlage für wiederkehrende Fälle zu speichern, was insbesondere bei Großstörungen mit mehreren betroffenen Zügen von Vorteil ist.

Der Fdl kann zudem – ähnlich wie es heute auch schon möglich ist – mehrere Befehle in eine Befehlsnachricht integrieren, dabei jedoch die Reihenfolge der Befehle wie benötigt anpassen und festlegen. So ist sichergestellt, dass dem Tf die Befehle in der richtigen chronologischen Reihenfolge angezeigt werden.

Die digitale Form des Befehls bietet den Vorteil, dass der Tf auf seinem digitalen Endgerät nur die für ihn relevanten Informationen angezeigt bekommt und er nicht mehr den ganzen Befehlsvordruck vor sich liegen hat. Das sorgt für Übersichtlichkeit und Einfachheit.

Durch die Übermittlung der Befehlsnachricht über die Cloud ist es möglich, diese dort gleich danach zu archivieren und zu speichern. So müssen Papiervordrucke auf dem Stellwerk in Zukunft nicht mehr aufgehoben werden.

Der Bezirksleiter Betrieb, welcher die ausgestellten Befehle seiner Mitarbeiter im Rahmen von Betriebskontrollen in regelmäßigen Abständen prüfen muss, kann über die Cloud ebenso auf die Befehle seiner Mitarbeiter zugreifen. Für Tf ist eine Export-Möglichkeit geplant, wodurch der Tf oder das EVU die digitalen Befehlsnachrichten in deren eigener Datenablage speichern können.

Nicht zuletzt sorgt der Digitale Befehl für die Einsparung von Papier, da der klassische Vordruck dann nur noch in seltenen Fällen als Rückfallebene zum Einsatz kommen wird.

Projektphasen und erster Einsatz

Der Digitale Befehl wird derzeit von der DB Netz AG in Zusammenarbeit mit einem IT-Dienstleister entwickelt. Parallel werden eine fachliche Risikobewertung im Rahmen einer CSM-RA und Anpassungen in den Regelwerken vorgenommen. In einer späteren Phase kann mit den Schulungen für die Fdl und Tf begonnen werden. Für einen ersten Einsatz des Digitalen Befehls im Rahmen eines Prototypen-Betriebs wurde der Digitale Knoten Stuttgart (DKS) ausgewählt.

Um die einheitliche Nutzung des Digitalen Befehls durch die verschiedenen EVU sicherzustellen, ist geplant, die Anwendung des Verfahrens in die Nutzungsbedingungen Netz für den DKS aufzunehmen.

Zusammenfassung und Ausblick

Der Digitale Befehl ist ein weiterer Schritt auf dem wichtigen Weg der Digitalisierung des Bahnbetriebs. Er leistet seinen Beitrag, den Betriebsablauf gerade in Störungssituation zu vereinfachen und zu beschleunigen, wodurch Mitarbeiter entlastet werden und Kunden durch höhere Pünktlichkeit profitieren. Sofern sich der Digitale Befehl im Rahmen dieses Prototypen-Einsatzes bewährt, kann mit der Planung für einen größer angelegten Flächenrollout begonnen werden.

 


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