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Hochleistungsnetz für eine Starke Schiene

Wir brauchen eine stabile und leistungsfähige Infrastruktur

Foto: DB AG/Benjamin Kedziora
Foto: DB AG/Benjamin Kedziora

Mit der Übernahme des Vorstandsvorsitzes bei der DB Netz AG zum 15. August 2022 habe ich einen neuen Blick auf das System Schiene gewonnen. Bisher kannte ich die DB Netz AG ausschließlich aus der Kundenperspektive bei der DB Fernverkehr AG. Nun habe ich in den Wochen seit meinem Amtsantritt schon viele Facetten der DB Netz AG kennengelernt – aufgrund der Größe des Unternehmens bei weitem noch nicht alle. Eins ist schon jetzt klar: Politik und Gesellschaft erwarten von uns, dass wir unseren Beitrag zur Verkehrswende und Klimaschutz leisten.

Dafür müssen auf unserer Infrastruktur die nötige Kapazität bereitstellen, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Schließlich sollen sich die Fahrgastzahlen im Fernverkehr verdoppeln und im Nahverkehr deutlich steigen. Auch der Güterverkehr soll einen signifikanten Marktanteil von 25 Prozent erreichen. Diese Anforderungen sind enorm. Um diese zu erfüllen, brauchen wir eine stabile und leistungsfähige Infrastruktur.

Verkehrswachstum erfordert Hochleistungsnetz

Schon heute sind mehr Züge auf unserem Schienennetz unterwegs als jemals zuvor. Rund 3.500 km (zirka 10 Prozent) des Schienennetzes gelten derzeit als hochbelastet. Die Auslastung dieser Strecken liegt – bereits ohne Baugeschehen – bei durchschnittlich zirka 125 Prozent. Um der steigenden Nachfrage zu begegnen und die Voraussetzungen für die Verkehrswende zu schaffen, investieren Bund, Länder und DB auf Rekordniveau in die Instandhaltung und den Ausbau.

Es gibt so viele Baustellen wie noch nie im deutschen Schienennetz. Diese intensivierte Bautätigkeit erzeugt jedoch zunächst zusätzliche Belastungen und Einschränkungen. Langfristig erwarten wir, dass das hoch belastete Netz weiter auf zirka 9.000 km anwächst. Zudem verursachen überalterte Anlagen zusätzliche Störungen im Betriebsablauf. Fakt ist: Qualität und Pünktlichkeit im Netz sind aktuell nicht zufriedenstellend. Das alles zeigt: Ein „Weiter so“ kann es nicht geben!

Das hoch belastete Netz wächst auf über 9.000 Kilometer (Quelle: DB AB)

Dieses Problem gehen wir nun aktiv an. Die Lösung: Gemeinsam mit dem Bund entwickeln wir das hoch belastete Netz zum Hochleistungsnetz. Es wird der Qualitäts- und Stabilitätsanker im System Eisenbahn und damit zur Grundlage für das avisierte Verkehrswachstum.

Unsere Ziele sind hierbei:

  • Längere Baufreiheit und bessere Planbarkeit: Wir bündeln stärker Baumaßnahmen über alle Gewerke einer Strecke und schaffen nachfolgend längere Baufreiheit nach der Generalsanierung. Dies führt auch zu mehr Planbarkeit für unsere Kunden.
  • Pünktlichere Zugfahrten: Robuste, störungsresistente Anlagen sorgen für eine zuverlässige Infrastruktur und erhöhen somit die Pünktlichkeit für Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und Fahrgäste.
  • Leistungsfähigere Infrastruktur: Durch optimale Layout- und Ausrüstungsstandards steigern wir die Kapazität im Netz.
  • Besseres Kund*innenerlebnis: Wir verbessern das Kund*innenerlebnis durch attraktive, saubere und barrierefreie Bahnhöfe und gut organisierten Schienenersatzverkehr.

Wie wir das erreichen? Mit der Generalsanierung der am stärksten belasteten Korridore entwickeln wir das hoch belastete Netz schrittweise weiter. Darüber hinaus setzen wir in der Instandhaltung noch stärker als bisher auf Prävention, Prädiktion und Diagnostik. So sichern wir den Zustand von Strecken, deren Anlagen bereits in einem guten Zustand sind, und erhöhen die Leistungsfähigkeit im Netz weiter.

Konkret heißt das:

  • Generalsanierung für das hoch belastete Netz in ausgewählten Korridoren: Wir ändern die Bewirtschaftung der Infrastruktur in den hochbelasteten Korridoren radikal und schöpfen Potenziale für schnelleres und damit kundenfreundliches Bauen besser aus. Erstmals entwickeln wir dabei Netz und Bahnhöfe aus einem Guss. Praktisch bedeutet das: Einmal konzentriert bauen, um dann zu fahren, und zwar für mehrere Jahre ohne investive Baumaßnahmen.
  • Leistungsstarkes Ersatzkonzept: Vorbereitete Umleitungsstrecken und ein leistungsfähiger Schienenersatzverkehr ermöglichen es uns, die Strecken in einem komprimierten Vorgehen für mehrere Monate komplett zu sperren und in sämtlichen Gewerken vollständig zu erneuern und zu optimieren.

Dieses Vorgehen wäre vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen. Ich bin zuversichtlich, dass dies der richtige Weg ist. Denn die Bahn und der ganze Schienensektor haben verstanden, dass wir hier nur gemeinsam vorankommen. Zur näheren Auswahl und Reihenfolge der Korridore für das neue Hochleistungsnetz stimmen sich die DB, der Bund sowie Verkehrsunternehmen, Aufgabenträger, Verbände und Baubranche in den nächsten Monaten ab.

Gleisbauarbeiten auf der Riedbahn
Gleisbauarbeiten auf der Riedbahn (Foto: DB AG/Benjamin Kedziora)

Pilot auf der Riedbahn im Jahr 2024 geplant

Der erste Korridor steht heute bereits fest: Die Riedbahn (Frankfurt am Main–Mannheim) wird bereits im Jahr 2024 die erste Generalsanierung erhalten, bei der das neue Konzept exemplarisch alle Vorteile ausspielen kann. Die Strecke gehört aktuell zu einer der hoch ausgelasteten Strecken und verfügt über einen unterdurchschnittlichen Anlagenzustand, der zu Störungen und Kapazitätsverlusten führt. Gleichzeitig sind viele einzelne Instandhaltungsmaßnahmen in den nächsten zehn Jahren durchzuführen.

Durch die geplante Generalsanierung werden wir alle notwendigen Maßnahmen gebündelt durchführen. Dies schafft Synergien, da nur einmal geplant, informiert und gebaut werden muss und sorgt darüber hinaus für mehr Planbarkeit. Ebenso werden kleinere Verbesserungen wie beispielsweise zusätzliche Überleitstellen, eine optimierte Blockteilung im Gleiswechselbetrieb und die Beseitigung von Bahnübergängen umgesetzt, was mehr Flexibilität und sogar Fahrzeitgewinne ermöglicht. Auch werden an den Bahnhöfen der Riedbahn notwendige Maßnahmen durchgeführt. Nach der Pilotstrecke wird das Konzept der Generalsanierung auf dem gesamten Netz ausgerollt.

Bis zum Start der Generalsanierung, ergreifen wir schon jetzt Sofortmaßnahmen im hoch belasteten Netz: Wir nehmen deutlich mehr Mittel für vorausschauende Instandhaltung in die Hand. Zudem bündeln und verdichten wir Baumaßnahmen, wo immer das möglich ist. Wo dies nicht ausreicht, nehmen wir zusätzlich Baustellen auf stark frequentierten Strecken gezielt heraus, um die Auslastung zu reduzieren. Mittelfristig arbeiten wir an der Stärkung und Digitalisierung des Kapazitätsmanagements und des Fahrplans durch neue IT-Tools, um die Auslastung im Netz frühzeitiger und besser steuern und damit auch die Kapazität steigern zu können.

Entscheidungsprozesse verbessern, um Probleme vor Ort schneller zu erkennen und zu lösen
Entscheidungsprozesse verbessern, um Probleme vor Ort schneller zu erkennen und zu lösen (Foto: DG AG/Stefan Wildhirt)

Langfristiges Kapazitätswachstum benötigt motiviertes Team

Bei Aus- und Neubaustrecken außerhalb der hoch ausgelasteten Korridore machen wir keine Abstriche und treiben alle Projekte mit voller Kraft weiter voran. Denn nur wenn es uns gelingt, mehr Züge auf die Schiene zu bringen, erreichen wir langfristig die von der Bundesregierung definierten Ziele für Wachstum und Verkehrsverlagerung.

Mit Blick auf die Organisation DB Netz werden wir auch hier unsere operative Exzellenz weiter ausbauen. Wir wollen den Megatrend der digitalen Transformation weiter nutzen, um unsere Prozesse einfacher und schneller zu gestalten. Gezielt wollen wir das Momentum zur digitalen Arbeit, das durch die Corona-Pandemie praktisch über Nacht angestoßen wurde, weiter nutzen.

Auch in unseren Entscheidungsprozessen wollen wir pragmatischer, beherzter und damit schneller werden. Besonders wichtig ist mir hierbei, dass wir Hindernisse und Probleme vor Ort, also am Gleis, auf der Baustelle, im Stellwerk schneller erkennen und Lösungen dafür finden. So kann die DB Netz als Organisation dynamischer und effektiver werden, um ihrer Rolle als verlässliche Basis des Verkehrswachstums der Schiene gerecht zu werden.

Damit dies gelingt, benötigen Führungskräfte und Vorstand auch die Unterstützung aller Mitarbeitenden. Hierzu möchte ich alle Mitarbeitenden und Bahnbegeisterte herzlich einladen, sich persönlich einzubringen. Sprechen Sie Hindernisse, Herausforderungen und Probleme, die uns im Tagesgeschäft hemmen, offen und mutig an. Bringen Sie sich mit Ihren Ideen und Lösungsansätzen gern in die Diskussion ein. Die Führungskräfte und der Vorstand haben hier ein offenes Ohr.

So viele Baustellen wie nie im Schienennetz: Brückeneinhub in Forchheim
So viele Baustellen wie nie im Schienennetz: Brückeneinhub in Forchheim (Foto: DB AG/Volker Emersleben)

Fazit

Um die Strategie der Starken Schiene und die klimafreundliche Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu realisieren, ist ein stabiles und modernes Netz notwendig, das ausreichend Kapazität zur Verfügung stellt. Um dies zu erreichen, haben wir Lösungen für kurz- und mittelfristige Verbesserungen erarbeitet, die wir nun konsequent umsetzen. Zukünftig werden wir auch einen starken Fokus auf die langfristigen Themen legen, um Organisation und Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Damit dies gelingt, benötigt die DB Netz vor allem weiterhin die große Leidenschaft und Motivation der Mitarbeitenden für das System Bahn. Ich möchte dafür Vorbild sein, diese Leidenschaft und Motivation dauerhaft zu sichern.


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